Redaktion: Hans-Georg Vorndran

BlickPunkt.e Nr. 6 / Dezember 2015

 

Hier spiele ich: Martin Luther als Playmobil-Figur
von Jeffrey Myers

Noch gut zwei Jahre ist es bis zum Reformationsjubiläum. Doch schon jetzt entpuppt sich Martin Luther als Star: Mit Bibel, Schreibfeder und schwarzem Talar ausgestattet stellt der kleine Playmobil-Luther einen Verkaufsrekord auf. Anfang des Jahres waren innerhalb von 72 Stunden die ersten 34.000 Exemplare ausverkauft.

Die 7,5 Zentimeter Plastikfigur mit dem markanten Langhaar soll schon einmal für das Reformationsjubiläum 2017 werben. Die Reformation feiert dann ihren 500. Jahrestag, und deshalb haben die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Deutsche Zentrale für Tourismus und die Tourismus-Zentrale Nürnberg die Sonderfigur bei Playmobil in Auftrag gegeben. Der Reformator ist zwar die bisher am schnellsten, aber (noch) nicht am häufigsten verkaufte historische Figur im Playmobil-Sortiment. Im Jahr 2012 wurde der Maler Albrecht Dürer als Plastikfigur mehr als 80.000 Mal verkauft. Die Chancen stehen dennoch gut, dass der beliebte Reformator spätestens bis zum 31. Oktober 2017 auch diesen Rekord brechen kann.

Was reizt eigentlich am Playmobil-Luther, was fällt an der Spielfigur auf – und was macht nachdenklich?

  • 4 - 99. Mag die Spielfigur schlicht, brav oder naiv erscheinen, staunt man dennoch nicht schlecht vor dem Anspruch der Verpackung, mit dem Luther-Männchen (fast) alle Menschen („4 - 99“) ansprechen zu wollen. Erzählt die Figur in ihrer Schlichtheit etwas von der menschlichen Sehnsucht nach einem hands-on-Glauben, also nach etwas, was man begreifen und festhalten kann? In einer zunehmend komplizierten Welt vermittelt die Spielfigur Leichtigkeit und Naivität und verkörpert heldenhaften Mut. Es wäre zu kurz gegriffen zu behaupten, dass das Volk sozusagen „Ochs und Esel“ will, deshalb auch den niedlichen Reformator. Fordert uns die einnehmende Darstellung nicht viel mehr auf, die Verständlichkeit der eigenen Kommunikation und die Attraktivität unserer Botschaft zu überprüfen?

 

  • Hier stehe ich – allein. Der einzelne Mensch, mutig und engagiert, das Individuum, von Gott unendlich geliebt und durch Gnade gerecht gesprochen, steht hier im Mittelpunkt. Wo bleibt aber das „Wir“ des Glaubens, fragen nicht wenige: Katharina von Bora und der Familien- und Freundeskreis, Philipp Melanchthon und die zahlreichen Mitstreiter, die Wartburg und der Reichstag? Kritiker bemängeln nicht zuletzt, dass der alleinstehende Luther einsam wirke und ihm die Spielfreude fehle. Denn der Glaube und die Vision bedürfen der Gemeinschaft, die Hoffnung und die Freude brauchen andere Menschen. Koste es, was es wolle.
  • Die Bibel und der Reformator – wer trägt wen? Ein übergroßer Federkiel unterstreicht den Verdienst Luthers als Bibelübersetzer. Die (deutsche) Bibel in der Hand nimmt einen prominenten Platz ein. Die Bezeichnung „ENDE“ unter „Bücher des Alten Testaments“ auf der linken Seite der aufgeschlagenen Bibel kann allerdings missverstanden werden. Ein impliziertes „Ende“ des Alten Testaments käme beim Bibelübersetzer Luther gar nicht in Frage, auch wenn er – nicht ungewöhnlich für seine Zeit – das Alte Testament stark christologisch auslegte.

 

„Das Neue Testament übersetzt von Doktor Martin Luther“, auf der rechten Seite der von Luther gehaltenen Bibel zu lesen, könnte für Unkundige den Eindruck erwecken, dass Luther sich primär für das Neue Testament interessierte oder dass durch Luther das Alte Testament überholt sei. Im Gegenteil hält der Theologe fest, dass der Grund unseres Glaubens das Alte Testament allein sei.

  • Luther lächelt. Zahlreiche Darstellungen vom Reformator gibt es, allem voran die von Lukas Cranach. Aber ein Luther, der lächelt? Selbst der große Reformator verlor manchmal Gottes Macht und Gnade aus den Augen und meinte, er müsse selber die Welt retten: Als Luther einmal mehrere Tage sehr niedergeschlagen war, trat seine Frau Käthe plötzlich in schwarzer Trauer in sein Zimmer. „Wer ist gestorben?“ fragte Luther erschrocken. „Gott ist gestorben“, antwortete sie, „denn du willst ja nicht aufhören, dir Sorgen zu machen“. Da musste Luther lachen und wurde wieder froh. Einen Sinn für Humor – und ein Lächeln – kann sich ein fester Glaube leisten.

 

Fast 500 Jahre nach Beginn der Reformation hat das Interesse an der Person von Martin Luther nichts eingebüßt. Jene Faszination mit dem Reformator wird nicht zuletzt am derzeitigen Playmobil-Phänomen deutlich. Dass eine solche Faszination in eine Erneuerung, sprich: Reformation der Kirche Jesu Christi umgesetzt wird, darüber würde sich Martin Luther gewiss am meisten freuen. Das ist wahr.

Pfarrer Dr. Jeffrey Myers ist Mitarbeiter im Stabsbereich Öffentlichkeitsarbeit der EKHN

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