Ausgewogen, nicht neutral

Eckpunkte einer deutschen Nahost-Politik

von Hermann Gröhe,
Christoph Moosbauer,
Volker Perthes und
Christian Sterzing

Zu oft ist behauptet worden, daß es eine deutsche Nahostpolitik weder gebe noch geben könne. Bestenfalls sei eine deutsche Israelpolitik, vielleicht auch eine deutsche Iranpolitik denkbar, möglicherweise eine deutsche Kulturpolitik mit Blick auf die arabische Welt, Israel oder Iran. Richtig ist, daß es eine erklärte Politik Deutschlands gegenüber der sogenannten Mena-Region (Middle East and North Africa), also gegenüber dem Nahen Osten, dem Golf und Nordafrika, bislang nicht gibt. Richtig ist auch, daß der Spielraum für eine eigenständige Politik gegenüber dieser Region im Zuge der Harmonisierung europäischer Außenpolitik gering ist. Doch es gilt auch, daß Deutschland sehr wohl eigene wirtschaftliche, politische und in Grenzen sicherheitspolitische Interessen in und gegenüber der Region hat. Diese widersprechen gesamteuropäischen Interessen nicht, können sich im Einzelfall aber von den Interessen anderer EU-Staaten unterscheiden.

Deutsche Politik gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten sollte sich als integraler Bestandteil europäischer Politik verstehen. Deutschland hat ein eigenes Interesse an der zunehmenden Harmonisierung europäischer Außen- und Sicherheitspolitik und muß schon deshalb für eine Stärkung der Rolle und des Profils der EU im nahöstlichen Friedensprozeß, im Mittelmeerraum und am Golf eintreten.

Deutschland sollte sich aktiv um eine gemeinsame Politik der EU gegenüber der Region und ihren Konflikten bemühen. In der Nahostpolitik und der Mittelmeerpolitik und auch im Hinblick auf die Beziehungen zum Golfkooperationsrat und Iran koordinieren die europäischen Staaten ihre Positionen bereits weitgehend. Anders sieht das mit Blick auf den Irak aus: Großbritannien und Frankreich sind bislang nicht bereit, Fragen der Irakpolitik in den Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu stellen. Deutsche Politik könnte initiativ werden, um hier die Entwicklung eines europäischen Standpunkts voranzutreiben.

Europäische Politik gegenüber dem Mittelmeerraum ist so weit harmonisiert, daß auch Mehrheitsentscheidungen über gemeinsame Standpunkte und Aktionen der EU möglich sind. Dies soll für Beiträge zum arabisch-israelischen Friedensprozeß bislang allerdings erst nach dem Abschluß eines umfassenden Friedens gelten. Deutschland sollte, um die europäische Nahostpolitik zu stärken, die Initiative ergreifen, um diese Einschränkung aufzuheben: Es gibt keinen Grund, die Weiterentwicklung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die diesen Namen verdient, vom Friedenswillen nahöstlicher Akteure abhängig zu machen.

Deutschland hat ein eigenes Interesse am Frieden im Nahen Osten. Schon deshalb gibt deutsche Politik gegenüber der gesamten Region den Mashrekstaaten - Israel und seinen Nachbarn - immer besonderes Gewicht. Das Interesse an einer friedlichen Beilegung des arabisch-israelischen Konflikts nährt sich nicht nur aus einem humanitären Interesse. Es reflektiert auch das besondere deutsch-israelische Verhältnis, das einerseits durch die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, andererseits durch die Intensität und Tiefe gesellschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und Israel geprägt ist. Friede zwischen Arabern und Israelis würde gerade für Deutschland auch heißen, nicht länger einen Widerspruch zwischen seinen besonderen Beziehungen zu Israel und dem Interesse an intensiven und guten Beziehungen zu den arabischen Staaten fürchten zu müssen. Ein besonderes Interesse am Frieden in der Region existiert auch wegen des gemeinsamen kulturellen und zivilisatorischen Erbes, das die europäischen Gesellschaften mit den Völkern des Nahen Ostens verbindet: Der Ursprung des für Europa, seine Geschichte und Kultur prägenden Christentums liegt nun einmal im "Heiligen Land".

Deutsche Politik gegenüber den Ländern des Nahen Ostens kann weder einseitig "proisraelisch" noch einseitig "proarabisch" sein. Ausgewogenheit und friedenspolitische Orientierung können aber nicht bedeuten, indifferent zu sein oder in Sachfragen nicht eindeutig Position zu beziehen: Deutsche Politik muß unzweideutig für das Recht aller nahöstlichen Staaten eintreten, in Sicherheit und Frieden zu leben. Dazu gehören insbesondere das Recht Israels auf sichere und anerkannte Grenzen und das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und einen lebensfähigen Staat. Ausgewogenheit bezieht sich auf die Konfliktparteien, nicht auf deren Politik oder einzelne Konfliktthemen: Deutsche und europäische Politik kann nicht neutral sein, wo einzelne Staaten den regionalen oder internationalen Frieden gefährden oder zentrale Normen des Völkerrechts verletzen.

Deutschland muß sich mehr als bisher für eine aktive Rolle der EU in der Region einsetzen: Eine Konfliktregelung wird schon angesichts der Kräfteasymmetrien im Nahen Osten und des tiefen Mißtrauens zwischen den Konfliktparteien ohne diplomatische Hilfestellungen der internationalen Gemeinschaft nicht zustande kommen. Dabei steht die Komplementarität europäischer und amerikanischer Politik nicht in Frage, sie muß nur aktiv genutzt werden. Europäische Akteure werden sich vorwiegend auf weniger spektakuläre, deshalb aber nicht weniger politische Beiträge zum Friedensprozeß und zum Aufbau einer haltbaren Friedensordnung in der Region konzentrieren. Dabei sollten die speziellen Bindungen und Beziehungen einzelner EU-Staaten zu Staaten und Akteuren in der Region selbstbewußt genutzt werden. Das gilt im deutschen Fall etwa für die besonderen Beziehungen zu Israel oder für das Vertrauen, das deutsche Politik in Iran genießt.

Die Unterstützung der palästinensischen Staatswerdung ist prioritär. Die finanzielle Hilfe, die das palästinensische Gemeinwesen direkt oder indirekt aus Deutschland erhält, übersteigt die Hilfe jedes einzelnen anderen Staates. Diese Unterstützung ist eine bewußte und richtige Entscheidung deutscher Politik, und Deutschland sollte sich einer Rolle als Geburtshelfer und Pate des zukünftigen palästinensischen Staats nicht entziehen. Dabei sollte deutsche Politik aber auch keinen Zweifel daran lassen, daß dies auch Anforderungen an die palästinensische Seite beinhaltet. Im deutschen Interesse liegt die Etablierung eines demokratischen Staates, der die Menschenrechte wahrt und zur friedlichen Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn bereit ist.

Deutsche und europäische Politik sollte sich nicht scheuen, klare Aussagen über die Prinzipien einer Friedensregelung und über notwendige Elemente eines haltbaren Friedens zu machen. Die EU hat beispielsweise in ihrer Berliner Erklärung (1999) das Recht des palästinensischen Volkes, einen eigenen Staat zu errichten, betont und gleichzeitig festgestellt, daß ein lebensfähiger Staat Palästina auch die beste Sicherheitsgarantie für Israel darstellt. Dies hat Widerspruch ausgelöst. Die EU hat mit ihrer Erklärung aber, gerade weil sie der politischen Diskussion in Israel und in den Vereinigten Staaten ein Stück voraus war, die friedenspolitische Agenda mitbestimmt. Sie kann dies auch mit Blick auf andere Themen tun. So können die Europäer klarstellen, daß ein haltbarer Frieden der palästinensischen Seite ermöglichen muß, den arabischen Teil Jerusalems (Ost-Jerusalem) zu ihrer Hauptstadt zu machen. Sie können deutlich machen, daß der israelische und der palästinensische Staat völkerrechtlich gleichberechtigte Subjekte sein werden: Frieden kann nicht bedeuten, daß ein Staat die Aufsicht über den anderen behält. Sie sollten auch keinen Zweifel lassen, daß ein umfassender Friede zwischen Israel und seinen Nachbarn nicht ohne eine Regelung der Flüchtlingsfrage zustande kommen wird. Eine solche Regelung wird das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und Vertriebenen im Grundsatz anerkennen; die konkrete Umsetzung dieses Rechts wird gleichzeitig, soweit es um die Rückkehr in das Staatsgebiet Israels geht, auch für Israel akzeptabel sein müssen.

Das deutsch-israelische Verhältnis ist durch die deutsche Verantwortung für die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden und durch die starken gesellschaftlichen Bindungen, die seit der Staatsgründung Israels zwischen den beiden Staaten entstanden sind, ein besonderes und wird auch ein besonderes bleiben. Die Sicherheit Israels wird deshalb eine Priorität deutscher Außenpolitik bleiben. Dies kann allerdings nicht heißen, auch israelische Sicherheitsbegriffe und Sicherheitsvorstellungen zu übernehmen oder kritiklos zu akzeptieren, wenn Teile des politischen Spektrums in Israel die Sicherheit ihres Staates auf Kosten der Sicherheit oder des Selbstbestimmungsrechts seiner Nachbarn durchzusetzen suchen.

Aus deutscher und europäischer Sicht sind Frieden und ein lebensfähiger palästinensischer Staat die Voraussetzung für die Sicherheit Israels. Deutsche Politik sollte Israel bei der Suche nach einem umfassenden Frieden unterstützen und, wo dies möglich und gewünscht ist, seine guten Dienste anbieten. Deutschland wird auch im Gespräch mit seinen arabischen Partnern keinen Zweifel daran lassen, daß ein haltbarer Friede und regionale Stabilität die Akzeptanz Israels und die volle Integration Israels in die Region verlangen.

Das besondere Vertrauensverhältnis, das sich im deutsch-israelischen Verhältnis entwickelt hat, erlaubt es, gerade im bilateralen Dialog auch Fehlentwicklungen anzusprechen. Es sollte kein Zweifel bestehen, daß Deutschland inhaltlich dieselben Forderungen und Erwartungen an Israel stellt wie der Rest der Europäischen Union. Das betrifft insbesondere die Erwartung, geschlossene Abkommen einzuhalten, die Nichtakzeptanz politisch-territorialer Veränderungen durch Krieg und Eroberung sowie die klare Ablehnung der israelischen Siedlungspolitik in den 1967 besetzten Gebieten.

Die Beziehungen zu den arabischen Staaten sollten insgesamt in den Rahmen der Mittelmeer-, Nahost- und Mittelostpolitik eingebettet sein. Deutschland sollte dabei deutlich machen, daß es den überwiegend arabischen Charakter des Nahen und Mittleren Ostens erkennt und die Beziehungen zur arabischen Welt nicht vom Erfolg des Friedensprozesses abhängig macht. Deutschland und Europa sollten in ihrer Politik unterstreichen, daß sie die kulturellen und politischen Bindungen der arabischen Staaten untereinander verstehen und das Interesse arabischer Akteure an einer engeren Zusammenarbeit der arabischen Staatengemeinschaft, nicht zuletzt an der Etablierung einer arabischen Freihandelszone, unterstützen. Die Bundesregierung sollte die Position eines Koordinators für die deutsch-arabische Zusammenarbeit schaffen. Die Aufgaben dieses Koordinators würden vorwiegend im zwischengesellschaftlichen und kulturellen Bereich liegen; seine Berufung würde vor allem ein Zeichen der Bereitschaft zu Nachbarschaft und ernsthaftem Dialog mit der arabischen Welt setzen.

Deutsche Politik sollte einen Beitrag leisten, um den geplanten "vertieften" Dialog (enhanced political dialogue) zwischen der EU und den Partnerstaaten mit Inhalten zu füllen und nicht zum sterilen, formalen Austausch amtlicher Positionen verkommen zu lassen. Das kann etwa heißen, eine Stabilitätsdiskussion anzuschieben, die unterstreicht, daß stabile Entwicklung und regionale Stabilität immer auch Wandel impliziert. Die EU hat keinen Anlaß, die Position autoritärer Regime zu akzeptieren, die sich mit Hinweis auf Stabilitätsrisiken jede Diskussion ihrer Menschenrechtspolitik und Regierungspraxis verbitten oder gar europäische Unterstützung für die Verfolgung von meist islamistischen Regimegegnern verlangen. Ebensowenig sollte Europa mit Rücksicht auf südmediterrane Partnerstaaten eine Asylpraxis aufgeben, die auch verfolgten islamistischen Regimegegnern Schutz gewährt.

Deutsche Politik kann und sollte in einzelnen Bereichen der Mittelmeerzusammenarbeit eigene Initiativen starten und sich damit nicht nur als einer der Motoren einer Gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch als glaubwürdiger Partner der nordafrikanischen und nahöstlichen Staaten zeigen. Dazu könnten Ideen und Projekte für eine liberale Visapolitik gegenüber den Partnerländern gehören. Gerade im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen sollte deutsche Politik sich im innereuropäischen Entscheidungsprozeß um die Durchsetzung rationaler Ansätze bemühen. Sie kann etwa den südlichen EU- Ländern gegenüber deutlich machen, daß die legitimen Interessen der Mittelmeerpartnerstaaten nicht für kurzfristige Gruppeninteressen geopfert werden dürfen. Ziel des Barcelona-Prozesses ist schließlich nicht die kurzfristige Verbesserung von Exportchancen und schon gar nicht der Schutz europäischer Produzenten vor mediterraner Konkurrenz, sondern gerade auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Chancen der mediterranen Partner Europas.

Auch die Golfregion liegt aus europäischer Perspektive in der Nachbarschaft. Da die Staaten der Region über 65 Prozent der Welterdölreserven verfügen, verbindet Europa mit ihnen auch klare wirtschafts- und sicherheitspolitische Interessen. Deutschland und Europa müssen an der Stabilität der Region interessiert sein. Konflikte in der Region sind ihrer weltwirtschaftlichen Wirkung nach nie begrenzt. Wenn es hier wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen käme, die zu einem Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft führen würden, dürfte sich auch Deutschland einer aktiven Beteiligung kaum entziehen können.

Deutschland wird sich in Kooperation mit anderen europäischen Staaten um eine international abgestimmte Irakpolitik bemühen müssen, die die Logik von Abschottung und Eskalation überwindet. Die allgemeinen Wirtschaftssanktionen sind humanitär nicht mehr vertretbar und politisch kontraproduktiv. Sie sind aufzuheben; an ihre Stelle muß ein möglichst effektives Rüstungsembargo treten. Gleichzeitig wird es weiterhin eines Elements der militärischen Abschreckung bedürfen, um die irakische Führung, die ihren nach innen und außen aggressiven Charakter nicht geändert hat, von neuen Abenteuern abzuhalten. Die irakische Gesellschaft darf aber nicht länger isoliert werden.

Deutsche Politik zeigt sich bislang eher desinteressiert am politischen Kontakt und am Dialog mit den wichtigsten arabischen Wirtschaftspartnern. Sie sollte sich dieser Aufgabe aber nicht entziehen und sich auch nicht scheuen, Wirtschaftsbeziehungen mit der Region stärker als bisher politisch zu unterfüttern. Zur Werbung für den wirtschaftlichen Austausch mit Deutschland gehört allerdings auch, die Interessen der Partnerländer ernst zu nehmen und gegebenenfalls zu unterstützen. So kann deutsche Politik ihr Interesse an wirtschaftlicher Partnerschaft mit den südlichen Mittelmeerstaaten nicht zuletzt dadurch demonstrieren, daß sie für echten, zweiseitigen Freihandel im Mittelmeerraum eintritt und agrarprotektionistischen Tendenzen anderer EU-Staaten entgegentritt. Sie sollte den ölproduzierenden Staaten deutlich machen, daß sie ihr Interesse an stabilen Ölpreisen teilt: Die meisten der regionalen Ölexporteure importieren letztlich mehr aus Deutschland, als sie dorthin exportieren; niedrige Ölpreise schaden insoweit den deutschen Exportinteressen.

Deutsche und europäische Sicherheitspolitik muß der Mena-Region schon wegen deren unmittelbarer Nachbarschaft zur EU ein größeres Gewicht geben als anderen außereuropäischen Regionen. Dabei werden die unmittelbaren Sicherheitsinteressen der südlichen EU-Staaten durch die stetige Harmonisierung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik immer mehr zu Sicherheitsinteressen der gesamten Union, also auch Deutschlands. Eine militärische Bedrohung Deutschlands oder Europas aus der Region existiert nicht. Proliferation von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte und Rüstungswettläufe sowie konfliktträchtige sozioökonomische Disparitäten und politische Auseinandersetzungen innerhalb und zwischen regionalen Staaten müssen aber Sorgen bereiten. Auf absehbare Zeit wird der Hauptbeitrag Europas im Bereich der "weichen" Sicherheitspolitik liegen. Politische und sicherheitspolitische Dialoge sind nicht nur sinnvoll, sondern gerade mit jenen Staaten erforderlich, deren Außen- und Sicherheitspolitik Anlaß zur Sorge gibt. In Fragen "harter", militärischer Sicherheitskooperation oder für Sicherheitsgarantien werden sich alle Mena-Partner weiter vornehmlich an die Vereinigten Staaten wenden.

Der wichtigste Ansatz deutscher und europäischer Politik in der Mena- Region muß die Nichtverbreitungspolitik sein. Dabei sollte die Mitgliedschaft in den Nichtverbreitungsregimen an vorderster Stelle stehen. Deutsche Politik wird im eigenen Land darauf achten müssen, ein Exportkontrollregime aufrechtzuerhalten, das einen Transfer von Technologien unterbindet, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen genutzt werden. Deutschland sollte sich bei Rüstungslieferungen in die Region Zurückhaltung auferlegen.

Die Wertorientierung deutscher und europäischer Außenpolitik drückt sich in besonderer Weise im Einsatz für Menschenrechte und Demokratie aus. Sie muß sich in dieser Hinsicht gerade auch im Mena-Raum bewähren: Schließlich verletzen alle Staaten dieser Region die Menschenrechte, wenngleich bei gewichtigen Unterschieden zwischen einzelnen Staaten. Darüber hinaus gibt es gerade in der islamischen Welt eine Reihe von Stimmen, die die internationalen Menschenrechtsstandards als Ausdruck westlichen Hegemonialverhaltens in Frage stellen. Eine solche Fehlperzeption kann zumindest teilweise durch einen intensiven und offenen Meinungsaustausch überwunden werden, bei dem die europäischen Teilnehmer sich allerdings nicht scheuen, ihre Wertvorstellungen klar zu vertreten.

Die Frage der Menschenrechte spielt gerade beim zentralen Konflikt der Region, dem arabisch-israelischen, eine wichtige Rolle. So führen die israelische Besetzung und die illegale Besiedlung der palästinensischen Gebiete zu fortwährenden, massiven Menschenrechtsverletzungen. Die palästinensische Autorität setzt ihrerseits in ihrem Herrschaftsbereich kein wirkliches Beispiel für Rechtsstaatlichkeit, Good governance und die Wahrung der Menschenrechte. Beide Seiten versuchen ihre Verstöße gegen die menschen- und völkerrechtlichen Normen immer wieder mit Verweisen auf die übergeordneten Notwendigkeiten der Sicherheit oder auf die Schwierigkeiten des Friedensprozesses zu rechtfertigen. Eine Prioritätensetzung, wonach zunächst die territorialen Konflikte geregelt oder Sicherheitsprobleme gelöst werden müssen, bevor an die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte gedacht werden könne, kann aus europäischer Sicht nicht akzeptiert propagiert werden.

  • Hermann Gröhe ist Bundestagsabgeordneter der CDU,
  • Christoph Moosbauer ist Bundestagsabgeordneter der SPD,
  • Volker Perthes ist Nahostreferent bei der "Stiftung Wissenschaft und Politik"
  • Christian Sterzing ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen.

aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.08.2001

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