Eine neue christliche Einstellung zum Judentum

von Hans Schleiff

Der Grund: Das Wachstum der Christen zu Christus
Christen halten es heute für nötig, ihre Einstellung zum Judentum neu zu bestimmen. In den letzten Jahrzehnten sind viele Artikel, Bücher und offizielle Erklärungen dazu erschienen. Was ist der Grund für diesen Wandel im Denken der Christen? In Deutschland ist die Annahme nahe liegend, dass das Erschrecken über den Massenmord an den Juden im 20.Jahrhundert die Christen zum Umdenken veranlasst hat. Tatsächlich sehen das viele Christen so.1) Doch hier erhebt sich sogleich die Frage, warum Menschen durch dieses Verbrechen erschreckt und aufgebracht sein können. Das versteht sich nicht von selbst. Nach den Pogromen des Mittelalters waren die Christen weder erschrocken noch bußfertig und bereit, ihre Einstellung zum Judentum zu überdenken. Es ist gut, dass das heute anders ist, aber die eigentliche Ursache für diesen Wandel kann nicht in einem Verbrechen gefunden werden. Böses kann Gutes nicht hervorbringen (Röm. 3,8). Ein Verbrechen kann zwar der äußere Anlass für ein Umdenken sein, aber die innere Ursache dafür muss im Menschen selber liegen. Unabhängig von äußeren Ereignissen hat sich offenbar im Inneren der Christen ein tiefgehender Wandel vollzogen.

Seit es Heidenchristen gibt, also Christen nichtjüdischer Herkunft, haben sie sich durch Gottes Gnade dem Herrn Christus unterstellt gesehen, um zu ihm hin zu wachsen. "Lasset uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken bis zu dem hin, der das Haupt ist, Christus" (Eph. 4,15). Weil es dieses Wachstum gibt, sind Umkehr und neue Einsicht möglich. Wer wächst, bleibt nicht bei dem stehen, was er früher einmal gedacht und getan hat. Die Umkehr von Irrwegen ist ihm genauso möglich wie die neue Einsicht, die auf alte Einsichten aufbaut. Weder wird das, was früher gedacht und getan wurde, als ewig gültige Wahrheit festgeschrieben, noch wird es als völlig verkehrt zurückgewiesen. Wenn heute Christen ihr Verhältnis zum Judentum neu bestimmen, so wollen sie damit nicht den Glauben ihrer Vorfahren verwerfen, sondern sie wollen aus ihm die rechte Schlussfolgerung ziehen.

Das Wachstum zu Christus, dem Sohn Gottes, hat die Christen in ein direktes, unvermitteltes Verhältnis zu Gott geführt. Martin Luther sah als erster Mensch außerhalb des Judentums sein Leben durch Gottes Gnade nicht mehr unter Gott, sondern in Gott begründet. Gott "macht, dass wir sind, was er selber ist, dass wir in ihm seien, dass sein Sein unser Sein sei."2) Luther wusste jedoch, dass seine Gedanken und Taten noch nicht mit dieser Begründung seines Lebens in Gott übereinstimmten. Er erkannte sich selbst als schon gerechtfertigt im Glauben und noch sündig in den Taten. Aber er hatte die Gewissheit, dass die Christen durch Gotts Gnade zur Heiligkeit wachsen. "Dieses Leben ist nicht eine Frommheit, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Wesen, sondern ein Werden. Wir sind's noch nicht, wir werden's aber. Es ist noch nicht getan und geschehen, aber es ist im Gang und Schwung. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg."3) Es war daher konsequent, dass im Pietismus und in den protestantischen Erweckungsbewegungen eine noch größere Übereinstimmung der Christen mit Christus im alltäglichen Leben verkündet wurde. Spener erklärte, "vielmehr durch gottseliges Glauben, heiliges Leben, Gott und den Nächsten lieben, als durch scharfes und spitzfindiges Disputieren" sei man ein Christ,4) und bei Kierkegaard wurde sich der Einzelne bewusst, dass er mehr wert ist als die ganze Welt: "Des Glaubens Paradox ist dies, dass der Einzelne höher ist als das Allgemeine."5) Schließlich proklamierte die "liberale Theologie" am Anfang des 20. Jahrhunderts den unendlichen Wert des menschlichen Wesens: "In dem Gefüge: Gott der Vater, die Kindschaft, der unendliche Wert der Menschenseele, spricht sich das ganze Evangelium aus."6) Dies bedeutet, dass Christus nicht mehr höher steht als die Christen: "Nicht der Sohn, sondern allein der Vater gehört in das Evangelium, wie es Jesus verkündigt hat, hinein."7) Während man in den früheren Jahrhunderten Jesus als den eingeborenen Sohn Gottes anbetete, ehrte man ihn jetzt als den ersten von vielen Töchtern und Söhnen Gottes, die genauso wie er aus Gott geboren sind. Man glaubte nicht mehr an Christus, sondern wie Christus. Dietrich Bonhoeffer erklärte deshalb mit Blick auf Maria Magdalena, den armen Lazarus und den Schächer am Kreuz: "Der Inhalt der christlichen Botschaft ist nicht, zu werden wie eine jener biblischen Gestalten, sondern zu sein - wie Christus selbst."8) Das Wachstum zu Christus hin betrachtete Bonhoeffer als Übergangsphase zwischen dem alten Leben, das in der Welt begründet war, und dem neuen Leben, das im Schöpfer der Welt begründet ist, und er war sich bewusst, dass diese Übergangsphase jetzt zu ihrem Ende kommt.9)

Seitdem zeigten Christen in ihrem Bestreben, sich ihr eigenes neu gewordenes Verhältnis zu Gott bewusst zu machen, zunehmend Interesse für den jüdischen Glauben. Sie entdeckten, dass es neben ihnen Leute gibt, die offenbar schon seit langem in dem Gottesverhältnis stehen, in das sie selbst jetzt eintreten.10) Schon "die Pharisäer unterminierten das Konzept der priesterlichen Vermittlung, indem sie eine direkte Beziehung zwischen dem Einzelnen und Gott für möglich erklärten."11) Schon sie waren sich des unendlichen Wertes einer jeden einzelnen Menschenseele bewusst: "Jeder, der eine einzelne Menschenseele zerstört, wird durch die Schrift wie einer, der die ganze Welt zerstört, geachtet. Und jeder, der eine einzelne Menschenseele bewahrt, ist, als ob er die ganze Welt am Leben erhalten hätte. Aus diesem Grunde ist jedermann zu sagen verpflichtet: Um meinetwillen wurde die Welt geschaffen.'"12) Sie verkündeten, dass der Einzelne Gott den Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller seiner Kraft lieben kann und soll (5.Mose 6,5). Diesen Satz aus der Torah machten sie zum Zentrum der ganzen Torah.13) Deshalb steht für einen Juden weder eine Kirche noch ein rechtes Glaubensbekenntnis mehr vermittelnd zwischen ihm und Gott: "Christen beharren noch immer darauf, daß die Juden nur gerettet werden, wenn sie ihren Glauben an Jesus bekunden, und gläubige Juden halten an ihrer Grundüberzeugung fest, daß Gott vom Menschen moralisches Handeln und keine Glaubensbekenntnisse fordert."14) Diese Neuerungen, die der Pharisäismus gebracht hatte, kennzeichnen das Judentum bis heute. "Alle auf ihn folgenden Formen des Judentums waren entweder eine Abwandlung oder eine Umwandlung der pharisäischen Form."15) Es gibt eine grundlegende Kontinuität von Pharisäismus und Rabbinismus.16) Dieses Judentum ist es, für das viele Christen sich heute interessieren. Die Parole von Schalom Ben-Chorin "Der Glaube Jesu einigt uns, aber der Glaube an Jesus trennt uns"17) erweckt in ihnen das Bewusstsein einer tief begründeten Verbundenheit mit dem Judentum. Jetzt erkennen sie, dass die Juden nicht aus Blindheit und Verstocktheit sich weigern, Jesus als Mittler, Heiland und Herrn anzunehmen, sondern aus Treue zu Gott und zu ihrem in Gott begründeten Leben.

Die "Blindheit der Juden" als Blindheit der Christen
Diese Behauptung, die Juden würden aus Blindheit und Verstocktheit Jesus nicht als Herrn und Heiland annehmen, findet sich jedoch, wie es scheint, schon im Neuen Testament: "Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird" (2.Kor. 3,14). Aber Paulus schreibt hier, wohlgemerkt, "in Christus" und nicht "unter Christus". "In Christus" ist nach Paulus der, der genauso wie Jesus dem Gesetze nicht mehr untertan ist, weil er aus der Gotteskindschaft heraus selbstständig entscheidet, was Gottes Wille ist (Gal. 2,18-20). "Unter Christus" ist der, der zwar zu diesem in Gott begründeten Leben berufen ist, aber noch nicht in ihm angekommen ist (1.Kor. 3,1-3; Kol. 2,19; Eph. 4,12b-16). Die Decke ist also nicht dann abgetan, wenn ein Mensch Christus als den Größeren verehrt, sondern dann, wenn er wie Jesus aus Gott heraus lebt.

Paulus war sich zu seiner Zeit gewiss, dass allen Juden bald diese neue Begründung des Lebens in Gott gegeben sein wird: "Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren solange, bis die Fülle der Heiden eingegangen ist, und alsdann wird das ganze Israel gerettet werden" (Röm. 11,25 f.).18) Mit der Rettung meinte er hier nicht die Rettung im Jüngsten Gericht, sondern die Aufnahme in das neue Leben, das nicht mehr in der Welt, sondern im Herrn und Schöpfer der Welt begründet ist. Sie ist die Voraussetzung für die Auferstehung der Toten und das Jüngste Gericht (Röm. 11,15), in dem jeder nach seinen Taten gerichtet wird (2.Kor. 5,10). Paulus schrieb dies in einer ganz bestimmten Situation, nämlich während der "pharisäischen Revolution"19), in der das Judentum sich vom Tempelkult mit seinen priesterlichen Mittlern löste und die schriftliche Torah mit der mündlichen Torah überhöhte, so dass von nun an jeder selbstständig sagen konnte, was der Wille Gottes ist.20) In dieser Situation machte Paulus die Erfahrung, dass die durch die Spiritualisierung, den Universalismus und Individualismus der hellenistischen Philosophie geprägten Menschen außerhalb des Judentums schneller als die Juden sich dem Neuen zuwandten, dabei aber dieses Neue nur als Ziel verstanden, auf das sie ausgerichtet sind, nicht jedoch als Wirklichkeit, in der sie lebten. Paulus drängte sie zum Leben in der Freiheit und Selbstständigkeit der Kinder Gottes (Gal. 5,25; Gal. 4,1-7; Gal. 2,20; 1.Kor. 3,1-3; 2.Kor. 3,17; 2.Kor. 5,17; Röm. 6,4) und war immer wieder enttäuscht, wenn er merkte, wie langsam sie ihm nur zu folgen vermochten (Gal. 5,1-15; Phil. 3,15-17; 2.Kor. 11,1-15). Seine Schüler, die später in seinem Namen den Kolosser-, den Epheser- und den 1.Petrusbrief schrieben,21) gewährten ihnen im Auftrage Gottes mehr Zeit zum Wachstum (Kol. 1,11; Eph. 4,6-16; 1.Petr. 2,2).

Das Judentum aber definierte sich in den Jahrzehnten nach der Zerstörung des Tempels neu als die Gemeinschaft derer, die wissen, dass ihr Leben im Herrn begründet ist und heilig sein soll wie Gott selbst heilig ist.22) Damit war die Blindheit, die Paulus zu seiner Zeit einigen Juden attestiert hatte und von der er selbst hergekommen war (Gal. 1,13-18; Apg. 9,1-19), überwunden.

Die Christen aus den anderen Völkern verstanden sich nun als die Gemeinschaft derer, die zum Herrn hin wachsen. Weil sie noch nicht in der Lage waren, das Gottesverhältnis der Juden nachzuvollziehen, konnten sie die jüdische Weigerung, Jesus als Herrn und Heiland anzuerkennen, nur für den Ausdruck einer unerklärlichen Blindheit und Verstocktheit halten. In einer neuen Situation verstanden sie die Aussage des Paulus anders, als er sie gemeint hatte. Das war "eine Mystifikation des Nicht-Gesprächs,"23) die man in Stein gehauen noch heute an den Portalen mittelalterlicher Kathedralen sehen kann, wo die gekrönte Ekklesia streng und triumphierend zu der mit verbundenen Augen, gesenktem Kopf und gebrochenem Stab dastehenden Synagoge hinüber schaut. In Wahrheit war nicht die Synagoge blind, sondern die Ekklesia.

Die neue Sicht des Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung
Dieser Überzeugung, dass die Kirche herrscht und triumphiert, lag dennoch eine wahre und gute Gewissheit zugrunde, nämlich die, dass Jesus Christus die Herrschaft über die Welt angetreten hat, um alle Menschen zum Vater zu führen. Die Verheißungen des Alten Testaments sahen die Christen darin erfüllt, dass Christus herrscht. Das, was danach kommt, nämlich die Totenauferstehung, das Jüngste Gericht und das ewige Leben, galt ihnen durch viele Jahrhunderte hindurch nur als ein Anhang zu jener für sie wichtigsten Aussage. Er führte "ein eigentümlich steriles Dasein am Ende der christlichen Dogmatik".24) Doch jetzt, da die Menschen sich in die Verantwortung über die Welt gestellt sehen und keine Heimat mehr in ihr haben können, werden die letzten Dinge aktuell. Die Christen sind in die Gleichheit mit Christus eingetreten und wissen ihr Leben im Herrn und Schöpfer der Welt begründet. Dieses ihr eigenes Leben drängt jetzt auf Verwirklichung nach außen. Von ihrem in Gott begründeten Leben her sehnen sie sich nach der neuen Welt Gottes. Deshalb entstand seit 1964 die "Theologie der Hoffnung". "Der Auferstandene begegnet als der Lebendige, sofern er sich in Bewegung, im Ausschreiten auf sein Ziel hin befindet." Sein Werk "ist noch nicht beendet, noch nicht abgeschlossen."25)

Die Vorstellung, dass das Alte Testament die Verheißung biete, die im Neuen Testament erfüllt sei, wird daher in der christlichen Theologie heute durch ein anderes Gedankenmodell ersetzt: Das Alte Testament kündet vom Wachstum der Hebräer zur Gotteskindschaft, das Wachstum der Christen dorthin aber findet sich in der Kirchengeschichte. Die Erfüllung jedoch steht noch aus. Am Ende des Wachstums der Hebräer stand die Loslösung vom Tempelkult mit seinen priesterlichen Mittlern, der Aufschwung zur selbstständigen, der Torah übergeordneten Erkenntnis des göttlichen Willens 26) und die ™ffnung des Judentums für alle Menschen.27) Seither warteten die Juden auf die neue Welt Gottes jenseits von Sünde und Tod,28) während die Christen zum Herrn hin wuchsen.

Wegen dieses Unterschiedes von Juden und Christen findet das Alte Testament sowohl im Talmud als auch im Neuen Testament seine Fortführung.29) Der Talmud ist, dem Wesen der mündlichen Torah entsprechend, für Juden kein starres, in sklavischem Gehorsam zu befolgendes Gesetz, sondern Denkanreiz und Diskussionsgrundlage.30) Ihm kann auch widersprochen werden. Dasselbe gilt auch für die schriftliche Torah im Alten Testament. Auch ihr zu widersprechen ist für einen gläubigen Juden kein Problem.31) Von sich aus entscheidet er, was Gottes Wille ist. Für den Christen dagegen ist das Neue und das Alte Testament das Wort Gottes, das über ihm steht und von außen her zu ihm kommt und ihn in Gottes Gemeinschaft ruft. Durch immer neues Lesen der Bibel wächst der Christ allmählich in die Freiheit der Gotteskinder hinein. Der Talmud hat eine Eigentümlichkeit, der ein Christ sich nicht unterstellen soll, und das Neue Testament hat eine Eigentümlichkeit, der ein gläubiger Jude sich nicht unterstellen kann:

Im Talmud ist diese Eigentümlichkeit sein Zeremonialgesetz. "Zu den Aufgaben, die der Glaube an Gott und der Glaube an den Menschen stellen, treten die Pflichten, die sich auf die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft gründen, und die ebenfalls durch die Tat zu erfüllen sind Es sind die mannigfachen Gebote, Regeln und Institutionen, die alle unter dem Namen der Zeremonialsatzungen zusammengefaßt zu werden pflegen."32) Sie "sollten nicht mit der Torah verwechselt werden, sie wurden nicht als gute Taten' gewertet und sollten in messianischen Zeiten auch überflüssig werden," aber für die Bewahrung der jüdischen Gemeinde in der Gegenwart sind sie nützlich.33) Sie gewannen in der Zeit nach der Zerstörung des Tempels erneut an Bedeutung, weil das Judentum sich gegen das noch bestehende hellenistische Heidentum und das schon entstandene und sich ausbreitende Heidenchristentum abgrenzen musste. Durch sie wollten die Juden sich immer wieder aufs Neue daran erinnern, dass sie Juden und nicht Heiden oder Christen sind. Eigentlich war es seit der Zeit der Pharisäer klar, dass jemand, der sein eigener Hoherpriester ist und Gott wohlgefällige Opfer durch Gebet, Reue und Taten der Nächstenliebe bringt,34) jenseits aller Zeremonialsatzungen und Bindungen an ein bestimmtes Volk steht. Aber solange die Menschen aus den anderen Völkern noch unterwegs zu diesem Bewusstseinsstande waren, musste das Judentum mit solchen Mitteln, die seinem eigenen Wesen eigentlich nicht mehr entsprachen, sich in seiner Besonderheit bewahren. Wenn Christen sich dieses bewusst machen, so folgt für sie daraus, dass es für sie nie passend ist, die Zeremonialsatzungen der Juden anzunehmen. "Christliche Pessachfeiern", wie sie heute in manchen christlichen Gemeinden üblich geworden sind, sind ein Irrtum. Zwar können Elemente aus anderen Liturgien zur Gestaltung der eigenen Liturgie übernommen werden, doch soll am Ende eine christliche und nicht eine jüdische Liturgie dabei herauskommen. Christen betonen heute, dass Jesus ein Jude war,35) doch damit soll nicht gesagt sein, dass die Christen am Ende selbst zu Juden werden sollen, und erst recht sollen damit nicht die Juden als gute Christen hingestellt werden, sondern es soll darauf hingewiesen werden, dass die Christen in dasselbe Verhältnis zu Gott eintreten, in dem das jüdische Volk schon ist. "Es ist nicht das beste unter den Völkern, sondern das geringste (Deut. 7,7), aber es ist das mündigste."36) Nicht das Judentum sollen die Christen am Ende annehmen, sondern in ihrem eigenen Glauben sollen sie vollkommen werden. Ein Irrtum und Abweg würde es daher auch sein, wenn Christen sich für den Wiederaufbau des jüdischen Tempels in Jerusalem einsetzen würden. Er könnte zwar ein Symbol für die wieder erlangte Selbstständigkeit des jüdischen Volkes sein, doch erneut einen Opferkult in ihm vollziehen zu wollen würde bedeuten, in eine frühere Phase der Heilsgeschichte zurückkehren zu wollen, in der es noch nicht ein direktes Gottesverhältnis gab.

Richtig jedoch ist die christliche Unterstützung des jüdischen Anspruches auf das Land Israel und die Stadt Jerusalem. Wenn das jüdische Volk schließlich seine Sonderstellung verliert, weil die anderen Völker in dasselbe Gottesverhältnis eintreten, in dem die Juden schon seit langem stehen, so gehört es zur Rückkehr in die Normalität, dass die Juden ihr Land und ihre Hauptstadt wieder bekommen. "Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis dass die Zeit der Heiden erfüllt ist", wurde im Neuen Testament vorhergesagt (Luk. 21,24). In der Gewissheit, dass die Zeit der Heiden nun erfüllt ist, sollen die Christen heute sowohl den Anspruch der Juden auf staatliche Oberhoheit über Israel und Jerusalem unterstützen als auch ihre Bereitschaft, den jüdischen und den nichtjüdischen Bürgern dort gleiche Rechte zu gewähren.

Die Eigentümlichkeit des Neuen Testaments besteht darin, dass innerhalb des Neuen Testaments von den Hauptzeugen zu den Spätschriften eine Rückentwicklung des Gottesverhältnisses sich vollzieht. Die frohe Botschaft vom Anbruch der Gotteskindschaft wird hier mehr und mehr zugunsten der Botschaft vom Wachstum zur Gotteskindschaft hin abgeschwächt. Dies ist erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Menschen aus den anderen Völkern, die die Vorgeschichte des Alten Testaments nicht hatten, noch nicht in der Lage waren, sofort selbstständig als Kinder Gottes zu leben. Der Messias trat für sie als Mittler zwischen Gott und Mensch, um ihnen Zeit zum Wachstum zu gewähren. Das war ein Rückschritt aus dem direkten Gottesverhältnis, das im Pharisäismus schon erreicht worden war: "Der Pharisäismus befreite den Juden aus der Abhängigkeit von einem priesterlichen Mittler oder von geschichtlichen Rechtfertigungen, während die Kirche durch ihr messianisches Erbe an letztere gebunden blieb und ersteren in einer wiederbelebten Priesterschaft und einem stellvertretenden Opfersystem erneut entwickelte."37) Von daher wird es noch einmal verständlich, dass es für einen Juden nicht möglich ist, den Glauben der Heidenchristen an einen Messias und Mittler anzunehmen, sofern er sich selbst und seinem Herrn treu bleiben will.

Soll es christliche Judenmission geben?
Für den Christen ergibt sich aus dieser Erkenntnis eine wichtige Folgerung: Die Juden dem Mittler Jesus Christus unterstellen zu wollen würde bedeuten, sie vom Vater entfernen zu wollen. Das ist nicht der Wille des Vaters. Durch Mission sollen Menschen zum Vater hingeführt werden, nicht aber von ihm entfernt werden. Die Vorstellung, die Christen hätten die Aufgabe, die Juden zu missionieren, würde voraussetzen, dass die Christen im Blick auf das Verhältnis zu Gott etwas hätten, was die Juden noch nicht hätten. Die Unterstellung unter einen Mittler, der uns die Möglichkeit gibt, zum Vater hin zu wachsen, kann das nicht sein. Franz Rosenzweig schrieb: "Was Christus und seine Kirche in der Welt bedeuten, darüber sind wir einig: es kommt niemand zum Vater, denn durch ihn. Es kommt niemand zum Vater - anders aber wenn einer nicht mehr zum Vater kommen braucht, weil er schon bei ihm ist. Und dies ist nun der Fall des Volkes Israel (nicht des einzelnen Juden)."38)

Nicht erst bei Jesus, sondern schon bei den Pharisäern findet sich die Anrede Gottes als Vater: "Gott, so lehrten die Pharisäer, war vor allem der Vater, nicht nur der Vater eines Volkes, sondern auch der ewige Vater des Einzelnen."39) Jesus brachte in dieser Hinsicht nichts Neues. Und ebenso wie die Pharisäer wollte auch er allein dem Vater die Ehre geben: "Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott" (Mark. 10,18). Die Übereinstimmung Jesu mit den Pharisäern war offenbar viel größer, als es einem Christen bei oberflächlichem Lesen des Neuen Testaments erscheinen mag.40) Ja, es erhebt sich die Frage, ob Jesus gegenüber den Pharisäern überhaupt etwas Neues und grundlegend anderes vertreten hat. Wenn das aber doch der Fall gewesen sein sollte, so wäre von daher der Auftrag zu christlicher Judenmission begründet. Sie würde dann freilich den Juden nicht mehr den Glauben der Heidenchristen an Jesus Christus nahe bringen, sondern den Glauben, den Jesus selbst an den Vater hatte.

Das Neue, das Jesus brachte, trennte ihn nicht von den Pharisäern
Tatsächlich hat Jesus etwas von Grund auf Neues gebracht, doch dieses Neue ging aus der "pharisäischen Revolution" hervor. Das Anwachsen der Quantität führte zum Umschlag in eine neue Qualität. "Die Pharisäer erhoben den Einzelnen über das Kultsystem, gerade so wie sie den Kult bewahrten. Sie machten keinen direkten Frontalangriff gegen den Tempel, sondern sie bestätigten die Legitimität seiner Funktion und beraubten doch gleichzeitig das Kultsystem seiner zentralen Bedeutung. Sie machten den Kult weniger bedeutend und dämpften seinen Glanz, indem sie die Aufmerksamkeit auf den Einzelnen und seine Rettung ausrichteten."41) Für eine gute Tat erwarteten sie Lohn, für eine böse Vergeltung vom Herrn in der kommenden Welt;42) doch diese Überzeugung ging bei ihnen alsbald in die andere Überzeugung über, dass derjenige der beste Pharisäer ist, der aus Liebe die Gebote Gottes erfüllt.43) Nicht nur in Jesu Bergpredigt, sondern auch im Talmud findet sich die Verkündigung der grenzenlosen Liebe: "Diejenigen, die beleidigt werden und nicht beleidigen, die ihre Beschämung hören und nichts erwidern, aus Liebe handeln und Freude im Leiden haben, die sind es, von denen geschrieben wurde: Und jene, die Ihn lieben, werden sein wie die Sonne in ihrem Glanz.'"44) "Die Vorstellung von den Folgen des Guten und Bösen hat sich im Judentum von naiver Hoffnung auf Belohnung und Furcht vor Strafe bis zu dem höchsten sittlichen Bewußtsein entwickelt: Der Lohn der guten Tat ist die gute Tat und die Strafe der Sünde ist die Sünde.'"45) Mit ihrer Überzeugung, sie könnten durch das Tun des göttlichen Willens das Kommen des Gottesreiches beschleunigen, so wie ein Bauer durch gute Zusammenarbeit mit der Erde die kommende Ernte günstig beeinflusst, vertraten sie einen naiven Synergismus;46) doch er ging alsbald in die Gewissheit, Mitarbeiter des allmächtigen Herrn zu sein, über: "Alles ist vorhergesehen; doch ist Freiheit gegeben."47)

Die Worte des Apostels Paulus "schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern, denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen" (Phil. 2,12b-13) und "wir sind Gottes Mitarbeiter" (1.Kor. 3,9) entstammen dieser pharisäischen Denkweise. Des Menschen Leben ist nicht mehr im Gegenüber zu Gott begründet, sondern es ist nun in Gott selbst begründet. So wie die Stoiker zu jener Zeit verkündeten, der Mensch sei ein Kind des Universums und solle am Willen des Universums teilnehmen,48) so verkündeten die Pharisäer, der Mensch sei ein Kind des Schöpfers und Erlösers des Universums und solle an seinem Willen teilnehmen. Wenn Jesus verkündete, dass wir nun Kinder Gottes geworden sind und von daher den Willen Gottes erkennen und in dieser Welt tun können,49) so lag das in der Tendenz der pharisäischen Entwicklung. Er trennte sich damit nicht von den Juden. Er übertraf die Pharisäer in der göttlichen Vollmacht, aus der er den Anbruch der Gotteskindschaft und die Nähe des Gottesreiches jenseits von Sünde und Tod verkündete (Mark. 1,22; 1,27; 2,12; 5,42; 9,15; Matth. 7,28 f.; 12,23; 13,54; 22,33; Luk. 5,26; 9,43), die Sünden vergab und Kranke heilte (Mark. 2,1-12 par.), aber er stellte sich damit nicht in einen grundsätzlichen Gegensatz zu ihnen. Auch die Pharisäer wussten sich zu den Sündern gesandt, denn sie trennten sich nicht von ihnen wie die Essener, auch sie verkündeten den Anbruch der Gotteskindschaft und die Nähe des Gottesreiches, und auch sie trieben böse Geister aus (Matth. 12,27; Luk. 11,19).50) Wenn schon sie für den Tempeladel ein Žrgernis waren, so war es Jesus noch mehr. Den Römern aber erschien besonders er als ein politischer Verbrecher.

Die Vorstellung, die Juden seien dem Gesetz unterworfen, den Christen aber sei die Freiheit der Gotteskinder gegeben, hält einer Prüfung nicht stand. Wenn Juden heute sich bewusst der Torah unterstellen, so tun sie es nicht mehr als getreue Bundespartner, sondern aus der Freiheit der Gotteskinder heraus mit einer Begründung, die auch den Nichtjuden überzeugt: "Gedankenlosigkeit ist die eigentliche Gottlosigkeit, die Heimatlosigkeit der Seele. Vor ihr, vor dieser Geheimnislosigkeit und Gebotlosigkeit, will das Gesetz bewahren; es will aller Oberfläche immer wieder ihr Symbolisches, aller Prosa ihr Gleichnis geben. Jeder Mensch soll zum Priester seines Lebens gemacht werden. Daher die Fülle dieser Bräuche, dieser Einrichtungen und Ordnungen Eine Lebensform ist hier bereitet worden, wenn auch die Gefahr nicht fern blieb, die in jedem Lebensstile liegt, daß er aufhört, ein Persönliches, Lebendiges des Menschen zu sein, und zur bloßen Žußerlichkeit, zur bloßen Tradition wird. Auch das Gesetz' hat diese Niederungen gehabt; was Heiligung sein sollte, ist bisweilen bloßes Handwerk, šbung eines Überlieferten geworden. Aber selbst dann ist es besser gewesen als die reine Stillosigkeit. Und es liegt in ihm die Kraft, immer wieder zu erwachen, seine Seele wieder zu haben."51)

In Freiheit wird hier über den Sinn und die Bedeutung des Gesetzes nachgedacht, und aus eigener Entscheidung unterstellt ein Mensch sich ihm. Das Erste ist hier die Freiheit in der Gotteskindschaft, und die Folge davon ist die Entscheidung für eine bestimmte Lebensform. Aus eben dieser Freiheit heraus entschied Paulus, den Griechen nicht die ganze Torah, sondern nur die im Liebesgebot zusammengefassten ethischen Teile aus ihr (Röm. 13,8-10) und daneben auch die Tugend- und Lasterkataloge der griechischen Moralprediger zu nennen (Phil. 4,8; Phil. 2,1-4; Gal. 5,19-22; 1.Kor. 6,9-10; 1.Kor. 13), um ihnen das Verhalten eines Gotteskindes verständlich zu machen. Aus dieser Freiheit heraus schrieb er ihnen auch keine bestimmte Form des Gottesdienstes vor, sondern mahnte sie nur, in ihm alles verständlich und ordentlich zugehen zu lassen (1.Kor. 14).

Die Freiheit in der Gotteskindschaft, die Jesus verkündete, wurde offenbar zu seiner Zeit nicht nur von ihm vertreten und gelebt. Sie ist seither zum Allgemeingut der Juden geworden. Leo Baeck nennt in seinem Buch "Das Wesen des Judentums" nicht den Bundesschluss als grundlegenden Gedanken für das Selbstverständnis des Judentums, sondern die Gottebenbildlichkeit. Da gibt es nichts, was Mission an den Juden noch hinzufügen könnte. Das Christentum hat in geistlicher Hinsicht dem Judentum nichts zu bieten, was dieses nicht schon hätte. So wird es noch einmal deutlich: Christliche Judenmission ist nicht sinnvoll und nicht dem Willen Gottes entsprechend. Auch einen christlich-jüdischen Dialog kann es, streng genommen, nicht geben, weil in einem Dialog beide Gesprächspartner Neues erkennen und sich verändern. Im Gespräch mit den Juden über das Verhältnis des Menschen zu Gott kann aber nur der Christ sich verändern, nicht der Jude. Es ist daher die Aufgabe der Christen, den Juden die Möglichkeit offen zu halten, ein Licht für die Völker zu sein (Jes. 42,6-8; Jes. 49,6; Jes. 60,1-3).

In der Evangelischen Kirche in Deutschland hat diese Erkenntnis in der neuen Agende für den Gottesdienst ihren Niederschlag gefunden. In der alten Agende von 1959 hieß es noch: "Lasset uns auch beten für die Juden, die nicht an Jesus Christus glauben: Du Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Du läßt die Verheißungen, die Du den Vätern gegeben hast, nicht hinfallen. Gedenke Deines Volkes Israel und gib, daß auch die Juden das Licht Deiner Wahrheit, unsern Herrn Jesus Christus, erkennen und ihn mit der ganzen Christenheit preisen. Durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen."52) In der neuen Agende, die 1999 herauskam, steht dagegen: "Lasst uns beten für das Volk der Juden, das Gott zuerst berufen und als Zeugen seiner Liebe erwählt hat: Ewiger Gott, du hast Abraham, Sarah und ihren Nachkommen deinen Segen zugesagt. Du hast Israel durch Mose deinen Willen mitgeteilt. Du hast Jesus Christus inmitten dieses Volkes Mensch werden lassen. Erhalte Israel deine Zuneigung und Treue und gib uns Anteil an deinen Verheißungen durch Christus, unsern Herrn. Amen."53) Der erste Text geht offenbar noch davon aus, dass die Christen etwas haben, was die Juden noch nicht haben, der zweite Text aber davon, dass die Juden etwas haben, woran die Christen nachträglich Anteil bekommen. Aus dieser Erkenntnis, dass die Christen die Juden nicht missionieren sollen, sondern ihnen die Möglichkeit freihalten sollen, ihrem eigenen Gottesverhältnis entsprechend zu leben, sollte allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass die Christen nun umgekehrt beauftragt seien, Juden daran zu hindern, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden. Wie jedem Menschen muss auch ihnen die Freiheit der eigenen Entscheidung zugebilligt werden.54)

Die Trinitätslehre gilt nur für die Christen und hat ihre Aufgabe erfüllt
Dieser Text in der neuen Agende von 1999 gibt jedoch Anlass zu Rückfragen. Wie kann der Christ an den Verheißungen für Israel Anteil bekommen, wenn er doch etwas glaubt, was der Jude bestreitet, nämlich dass Gott der Vater hat Gott den Sohn Mensch werden lassen? Wie passt der Glaube an den dreieinigen Gott zu der Bitte, Gott möge den Verleugnern dieses Glaubens seine Zuneigung und Treue bewahren? Besteht diese Zuneigung und Treue darin, dass Gott am Ende auch den Juden den Glauben an den dreieinigen Gott schenken wird, oder darin, dass er ihnen die Kraft gibt, weiterhin so an ihn zu glauben wie bisher? Würde das Erste zutreffen, so würde der Christ doch schon etwas haben, was der Jude noch nicht hat, und die Bitte, Anteil an den Verheißungen für Israel zu bekommen, würde dazu logisch schlecht passen. Würde das Zweite zutreffen, so würde die Trinitätslehre nur für diejenigen Gültigkeit haben, die durch Jesus Christus auf dem Wege zum Vater sind, nicht aber für die, die schon bei ihm sind. Der Text scheint zu dieser Konsequenz zu tendieren, spricht sie jedoch nicht aus. In seiner logischen Unausgeglichenheit erweist sich dieser Text als ein Zeugnis des Überganges von der einen Denkweise zur anderen.

Wenn schließlich der Christ ganz in die Gleichheit mit dem Gottessohn hineingewachsen ist, hat die Trinitätslehre ihren Dienst getan, sie hat ihr Ziel erreicht. Ihre Aufgabe war, den Menschen bewusst zu machen, dass Gott nicht nur Liebe hat, sondern auch Liebe ist (1.Joh. 4,16b).55) Es entspricht seinem Wesen, dass er sich den Menschen zuwendet und sie zum Leben in seiner Gemeinschaft befreit. Weil er durch Jesus Christus die nichtjüdischen Menschen befreit, gehört Jesus Christus zu seinem Wesen. In Jesus Christus hat sich Gott den Menschen außerhalb Israels als der geoffenbart, der er eigentlich ist, nämlich als der grenzenlos Liebende. Wenn der johanneische Christus sagt "niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Joh. 14,6), so will er mit dieser Exklusivitätsaussage nicht alles andere neben sich als dem Teufel verfallen bezeichnen, sondern er will auf das wahre Leben hinweisen, das in ihm erschienen ist (Joh. 1,4) und auf das die ganze Welt ausgerichtet ist (Joh. 3,17). Ihm nachzufolgen ist deshalb Gottes Wille für alle, die noch nicht beim Vater angekommen sind. Auch dann, wenn ein Christ dieses Ziel erreicht hat, weiß er, dass er durch Christus dahin gekommen ist, und deshalb erkennt er auch in seiner neuen Situation Gott als den trinitarischen. Aber nun versteht er, dass andere Menschen auf anderem Wege in die Freiheit der Kinder Gottes eintreten können und deshalb auch den Herrn anders erkennen. Die Frage, ob Juden und Christen an denselben Gott glauben, muss deshalb sowohl mit "ja" als auch mit "nein" beantwortet werden. Als derselbe wird er erkannt, weil die Freiheit der Kinder Gottes dieselbe ist, als verschieden wird er erkannt, weil der Weg in die Freiheit der Kinder Gottes verschieden ist.

Die Bedeutung der schon geschehenen Auferstehung Jesu
Während der Christ in den vergangenen Jahrhunderten die Gewissheit des kommenden Gottesreiches jenseits von Sünde und Tod und der damit verbundenen Auferstehung der Toten in der schon geschehenen Auferstehung seines Herrn Jesus Christus hatte,56) hatte der gläubige Jude sie in sich selbst.57) Doch das christliche Verständnis der Auferstehung Jesu war nicht konstant, sondern auch in ihm zeigte sich das Wachstum, das schließlich zum Umschlag in eine neue Qualität führte.

Wurde in der frühen Christenheit die Auferstehung Jesu Christi als seine Einsetzung in die Herrschaft über Engel, Menschen und Teufel (Phil. 2,6-11)58) und als Entmachtung des Todes (2.Tim. 1,10) verstanden, damit durch ihn die Auferstehung zu allen Menschen komme (1.Kor. 15, 21), so wuchs in den folgenden Jahrhunderten das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu diesem Auferstandenen. "Du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir", betete Augustin,59) und er ermahnte den Leser: "Folge dem Herrn nach , damit auch dir die Lichter am Firmament des Himmels aufgehn: dies wird nicht geschehen, wenn dein Herz nicht dort ist."60) Luther bezeugte, "dass der Sohn Gottes gelitten hat und auferstanden ist, und das alles für mich, für meine Sünden."61) Der Glaube bestehe deshalb darin, "dass man durch ihn so mit Christus zusammengeschweißt wird, dass aus dir und ihm sozusagen eine Person wird, die sich nicht trennen lässt, sondern ihm beständig anhängt, als wollte sie sagen: Ich bin wie Christus, und umgekehrt, als wollte Christus sagen: Ich bin wie jener Sünder, der an mir hängt."62) In der Konsequenz dieser Aussage sah Rudolf Bultmann den eigentlichen Sinn der Auferstehungsbotschaft darin, dass der Gläubige selbst in seiner Zugehörigkeit zum auferstandenen Christus die Begründung seines Lebens im Herrn und Schöpfer der Welt geschenkt bekommen hat: "Kreuz und Auferstehung sind eine Einheit, indem sie zusammen das eine kosmische' Ereignis sind, durch das die Welt gerichtet und die Möglichkeit echten Lebens beschafft worden ist."63) Die Gewissheit des ewigen Lebens im kommenden Gottesreich kann es nun nicht mehr darin geben, dass man zu Christus dem Gottessohn aufblickt, wobei man selbst noch in der Welt beheimatet ist, sondern darin, dass man selbst mit Christus gestorben und zu neuem Leben hervorgekommen ist.

Hier hat sich eine grundlegende Wendung vollzogen. War früher das neue Leben des Christen verborgen mit Christus in Gott, um in Zukunft mit Christus offenbar zu werden (Kol. 3,3f.), so gilt nun: "Wir werden nicht nur mit ihm in einem neuen Leben wandeln und mit seiner Auferstehung verwachsen' sein (Rm 6,4f.), sondern wir sind es auch schon: so müßt ihr urteilen, daß ihr tot seid für die Sünde, lebendig aber für Gott in Christus Jesus'(Rm 6,11)."64) Das, was Bonhoeffer den Übergang vom religösen ins nichtreligiöse Christentum nannte,65) hat sich hier vollzogen. In sich selbst hat nun der Christ den Grund für seine Hoffnung. Die heftige Diskussion, die Bultmanns Programm der Entmythologisierung biblischer Texte in existentialer Interpretation damals auslöste, zeigt, dass die Christen sich bewusst waren, an einem ganz wichtigen Wendepunkt im Wachstum des christlichen Glaubens angekommen zu sein.

Während früher die apokalyptischen Aussagen der Bibel von den Christen für wahr gehalten wurden, weil sie in der Bibel geschrieben stehen und direkt oder indirekt von Jesus stammen, sind jetzt die Christen selbst gefragt, ob und wieweit sie diesen Aussagen zustimmen können. Das begann schon in den letzten Jahren vor Bultmann in der liberalen Theologie, wo Johannes Weiß sich die Frage stellte, ob er wie Jesus das Reich Gottes als "eine schlechthin überweltliche Größe, die zu dieser Welt in ausschließlichem Gegensatze steht," erhoffen und ersehnen könnte.66) Er gab sich und seinen Lesern die Antwort: "Wir bitten nicht mehr: es komme die Gnade und es vergehe die Welt, sondern wir leben in der frohen Zuversicht, daß schon diese Welt der Schauplatz einer Menschheit Gottes' immer mehr werden wird."67) Albert Schweitzer stimmte dem einerseits zu, indem er erklärte, Jesus hätte sich mit seiner Erwartung des Weltendes geirrt, andererseits aber betonte er, Jesu "gewaltige Individualethik lehrt uns, daß, wer am Reich Gottes mit Hand anlegen will, nur etwas ausrichten kann, wenn er sich fort und fort innerlich läutert und von der Welt frei macht."68) Dieser zweite Gedanke erscheint kurz darauf radikal gefasst bei Bultmann: Der Glaube ist "der Verzicht, auf sich selbst zu vertrauen, und der Entschluß, nur auf Gott zu vertrauen, der die Toten erweckt (2.Kor. 1,9), der das Nichtseiende ins Sein ruft (Röm. 4,17), die radikale Hingabe an Gott, die alles von Gott, nichts von sich erwartet, die damit gegebene Gelöstheit von allem weltlich Verfügbaren, also die Haltung der Entweltlichung, der Freiheit."69) Damit war der Grund für die Hoffnung auf die neue Welt Gottes jenseits von Sünde und Tod gelegt.

Bultmann selbst freilich hatte mit dem apokalyptischen Denken noch nicht viel im Sinn. Ihm war es genug, die Entweltlichung zu verkünden. Nach seiner Überzeugung läuft die Weltgeschichte immer weiter,70) und "die Offenheit der christlichen Existenz nimmt kein Ende."71) Es war zu erwarten, dass nach ihm andere Christen sich nicht mehr mit der bestehenden Welt zufrieden geben konnten, sondern sich zunehmend nach einer endgültig zum Guten veränderten Welt sehnten. "Die Offenheit der christlichen Existenz nimmt ein Ende, denn sie ist nicht Offenheit für eine Zukunft, die leer bleibt, sondern hat die Zukunft Christi zur Voraussetzung und findet in ihr ihre Erfüllung", schrieb Moltmann gegen Bultmann.72) Doch seine Hoffnung war, verglichen mit biblischen Aussagen, noch mangelhaft. "Versöhnung mit Gott", "Vergebung der Sünden und Aufhebung der Gottlosigkeit" sowie "Verwirklichung eschatologischer Rechtshoffnung, Humanisierung des Menschen, Sozialisierung der Menschheit, Frieden der ganzen Schöpfung"73) erwartete und ersehnte er, aber von der Überwindung der Vergänglichkeit und des Todes schwieg er. Ein bisschen weiter ging Dorothee Sölle mit ihrer Erwartung der Zurechtbringung aller Dinge.74) Das Bewusstsein der Christen nähert sich allmählich dem Niveau an, das die Juden schon zur Zeit der Pharisäer erreicht hatten: "Die Pharisäer bewahrten die wesentlichen Lehrentwicklungen der Apokalyptik: die Auferstehung von den Toten und die ewige Welt jenseits der Geschichte."75)

Die negative Seite dieser Entwicklung war, dass viele Menschen in sich selbst nicht die Gewissheit der Auferstehung haben konnten. Je freier und mündiger sie wurden, desto mehr entschwand ihnen das Leben. Das, was am Anfang des 19.Jahrhunderts bei Jean Paul noch ein Alptraum war,76) wurde am Ende des 19.Jahrhunderts bei Nietzsche zur Realität: Gott ist tot und alles ist sinnlos.77) Die Folge war der Wille zur Macht oder zumindest die Meinung, sich selbst verteidigen zu müssen. Zu den "Feinden", die geschlagen werden mussten, gehörten in erster Linie die Juden. Aus dem christlich-kirchlichen Antisemitismus, den es durch all die Jahrhunderte zuvor gegeben hatte, ging der moderne Antisemitismus hervor.78) Zur Zeit des zweiten Weltkrieges schrieb Bonhoeffer: "Heute gibt es wieder Bösewichter und Heilige, und zwar in aller ™ffentlichkeit".79) Wie zu jener Zeit gilt auch in unserer: Menschen in ihrem bösen Tun gewähren zu lassen würde keinen Frieden bringen. Es gilt, ihnen mit Festigkeit entgegenzutreten und ihnen zugleich die Möglichkeit zu eröffnen, sich von ihrer Bosheit abzuwenden und ein neues Leben zu beginnen.

Die Entwicklung im Verständnis der Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu
Weil die Christen sich im Übergang von der Befangenheit in der Welt zur Freiheit der Kinder Gottes befanden, hatte der Kreuzestod Jesu in ihrem Glauben eine zentrale Bedeutung. Doch auch im Verständnis der Heilsbedeutung dieses Ereignisses ist ein Wachstum erkennbar, das zum Umschlag in eine neue Qualität führte.

Nicht von Anfang an konnten die Christen gleich ganz "in Christus" sein und bestätigen, dass sie mit Christus gestorben und zu neuem Leben hervorgekommen sind (Röm. 6). Zur Überbrückung des vorläufig noch großen Unterschiedes zwischen sich und dem heiligen Gott neigten sie dazu, im Gekreuzigten das Sühnopferlamm zu sehen.80) Ihre Berufung, zum Herrn hin zu wachsen, veranschaulichten sie sich mit dem Bild des Loskaufes: "Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem eitlen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes"(1.Petr. 1,18 f.).

Bei Irenäus (140-202) findet sich die erste Form der Rekapitulationstheorie: "Im Fleische unseres Herrn erschien das Licht des Vaters, und von seinem Fleische kommt ein Glanz in uns, und so gelangt der Mensch zum ewigen Leben, umgeben vom Licht des Vaters."81) "Was wir in Adam bezüglich unserer Gottebenbildlichkeit verdarben, das haben wir in Christus Jesus wieder erhalten."82) Hier ist nicht vom Tode des Gottessohnes die Rede und auch nicht vom Tode des alten, von Gott getrennten Menschen, damit er ein neues Leben in der Gottesgemeinschaft beginne, sondern nur vom Glanz des ewigen Gottes, der durch Jesus zu den Menschen kommt und ihre Gottebenbildlichkeit wieder herstellt. Jesus bringt Heilung des bestehenden Menschseins, nicht aber seine Erneuerung von Grund auf.

Tiefer geht die zweite Form der Rekapitulationstheorie, die von Athanasius (295-373) stammt: "Um sterben zu können, nimmt er einen Leib an, damit er den allen Sterblichen geltenden Urteilsspruch auf sich nehme. Für alle tut er dem Tode genug und bleibt doch durch die ihm innewohnende Göttlichkeit unsterblich, und infolgedessen kommt durch die Gnade der Auferstehung die über alle verhängte Sterblichkeit zu ihrem Ende."83) "Er wurde Mensch, auf dass wir vergöttlicht würden."84) Die radikale Andersartigkeit des ewigen Lebens gegenüber dem vergänglichen Leben kommt hier zur Sprache. Gott will nicht unser vergängliches Leben verbessern und veredeln, sondern er will uns ein ganz anderes Leben schenken, nämlich das ewige. "Der allmächtige Schöpfer selbst bewirkt die Erlösung, die darin besteht, daß das in Sünde gefallene Geschöpf wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt wird."85) Die Teilhabe am göttlichen, ewigen Leben wird hier stärker betont als die Sündenvergebung. Die guten Werke des Menschen folgen auf die göttliche Erlösung als Zeichen der Dankbarkeit. Sie sind erwünscht, aber sie sind nicht heilsnotwendig.

Bei Augustin (354-430) wie überhaupt in der abendländischen Theologie rückt die Frage nach dem Verhältnis von Sünde und Gnade in den Mittelpunkt des Interesses. Ist es möglich, aus eigener Kraft sich in die Gemeinschaft mit Gott hineinzuarbeiten? Sind die guten Taten notwendig zur Erlangung des ewigen Heils? Diese Fragen zeigen, dass der Mensch aktiver und selbstständiger geworden ist. Augustin bejahte sie anfangs, änderte aber seine Meinung nach gründlichem Bibelstudium, wodurch es ihm gegeben war, etwas mehr vom Standorte Gottes her sich selbst zu sehen. Wir alle stehen unter der Macht der Sünde, lehrte er, und können aus eigener Kraft uns nicht von ihr befreien. Gott der Vater kaufte uns los, indem er seinen Sohn als Lösegeld für uns in den Tod gab. Nun müssen wir nicht mehr sündigen, wir können es aber noch. Gott hat uns jetzt die Möglichkeit gegeben, mit seiner Unterstützung aus unserer eigenen Kraft die Sünde in uns zu bekämpfen.86)

Radikaler wurde das Denken bei Anselm von Canterbury (1033-1109). Bei ihm kam die Satisfaktionstheorie zu ihrer klassischen Ausformung: Weil Gottes Ehre durch die Sünde der Menschen unendlich verletzt wird,87) ist eine unendlich große Sühne nötig. Der Mensch kann sie nicht geben, denn er hat nur einen endlichen Wert, und auch die Summe aller Menschen hat nur einen endlichen Wert. Gott selbst muss für den Menschen eintreten. Gott der Vater muss seinen eigenen Sohn in den Tod geben, damit die Ehre sowohl des Geschädigten als auch des šbeltäters wieder hergestellt wird. Der Gottessohn aber kann stellvertretend die Sühne für die Menschen leisten, weil er nicht nur wahrhaftiger Gott, sondern zugleich auch wahrhaftiger Mensch ist.88) Das Denken ist hier bis zur Erkenntnis der Unendlichkeit der göttlichen Ehre wie auch der menschlichen Sünde vorgedrungen. Der Mensch kann in seiner Endlichkeit weiter leben, ist sich aber bewusst geworden, dass das wahre Leben eigentlich in der Unendlichkeit besteht.

Von daher vollzog sich im Denken Martin Luthers (1483-1546) die reformatorische Wende: Christus nimmt am Kreuz nicht nur unsere Strafe, sondern auch unsere Sünde selbst auf sich, und er überträgt umgekehrt seine Gerechtigkeit auf uns. Das ist nach Luther der "fröhliche Wechsel und Streit."89) Während bei Anselm der Mensch in seiner Endlichkeit als irdisches Wesen blieb, wird bei Luther der Mensch von Grund auf verwandelt. Er ist nun selbst ein sündloses Gotteskind geworden, auch wenn seine Taten diesem neuen Zustand noch nicht entsprechen. Er wächst von nun an in der Heiligung. Gott selbst macht das möglich, denn das, was innen im Menschen ist, drängt darauf, sich nach außen hin zu verwirklichen. Mit diesem Gedanken des Wachstums in der Heiligung hatte Luther die weitere Entwicklung vorhergesehen.

Ihr entsprach es, dass Friedrich D. E. Schleiermacher (1768-1834) lehrte, mit dem Kreuzestode des Gottessohnes sei nicht nur seine Gerechtigkeit ganz auf uns übertragen worden, sondern darüber hinaus auch teilweise seine ethische Vollkommenheit.90)

Im 20. Jahrhundert wurde das Ziel dieses Wachstums erreicht. Bei Adolf von Harnack (1851-1930) hat eine jede einzelne Menschenseele selbst einen unendlichen Wert bekommen,91) bei Karl Barth (1886-1968) hat Gott in Christi Tod und Auferstehung mich selbst als alten Menschen verworfen und als neuen erwählt, der in seinem Dienste steht,92) nach Bultmann (1884-1976) heißt an das Kreuz Christi zu glauben das Kreuz Christi als das eigene zu übernehmen,93) und Bonhoeffer (1906-1945) erklärte: "Wer in die Nachfolge eintritt, gibt sich in den Tod Jesu"94), um nun ganz aus dem Geiste Gottes zu leben. "Darin ist der Jünger Gerechtigkeit wirkliche Gerechtigkeit, daß sie nun selbst den Willen Gottes tun, das Gesetz erfüllen."95) Diese letzten vier Žußerungen lassen erkennen, dass der Christ in ein unvermitteltes Verhältnis mit Gott eingetreten ist. Rückschauend kann er nun die überlieferten Lehren vom Mittleramte Jesu Christi kritisieren: "Gott gab seinen Sohn, zur Vergebung der Sünden, als Opfer. Wie war es mit Einem Male zu Ende mit dem Evangelium! Das Schuldopfer, und zwar in seiner widerlichsten, barbarischsten Form, das Opfer des Unschuldigen für die Sünden der Schuldigen! Welches schauderhafte Heidentum! - Jesus hatte ja den Begriff Schuld' selbst abgeschafft, - er hat jede Kluft zwischen Gott und Mensch geleugnet, er lebte diese Einheit von Gott und Mensch als seine frohe Botschaft' Und nicht als Vorrecht."96)

Um des Evangeliums willen, um der reineren und klareren Nachfolge Jesu Christi willen, können und wollen Christen nun nicht mehr die Lehre vom stellvertretenden Strafleiden des Gottessohnes vertreten. Bultmann schrieb: "Er ist das Opfer, dessen Blut unsere Sünde sühnt; er trägt stellvertretend die Sünde der Welt, und indem er die Strafe der Sünde, den Tod, übernimmt, befreit er uns vom Tod. Diese mythologische Interpretation, in der sich Opfervorstellungen und eine juristische Satisfaktionstheorie mischen, ist für uns nicht nachvollziehbar."97) Dorothee Sölle stellte in einem Vortrag einmal die Frage, ob Gott einen Prügelknaben brauche, an dem er seinen Zorn auslassen könne. Die Annahme, dass Gott an die Verhaltensweisen dieser alten, gottfernen Welt gebunden sei, ist offenkundig ein Widerspruch in sich selbst. Ein solche Theorie konnte nur von Menschen entworfen werden, die selbst noch in diesen Verhaltensweisen befangen waren und sich doch berufen wussten, aus ihnen heraus zu treten. Bei H. Ott ist zu lesen: "Die Lehre von der stellvertretenden Genugtuung, die der Gott-Mensch anstelle aller sündigen Menschen Gott darbringt, ist heute noch in der landläufigen Gemeindetheologie lebendig. Wir finden ihre Spuren auch in vielen Liedern des Kirchengesangbuches Gott wird anthropomorph vorgestellt: als einer, der in einem Rechtsverhältnis steht mit dem Satan, bzw. als einer, dessen Zorn besänftigt werden muß Die Satisfaktionslehre ist heute genauso überholt wie die Lehre von der Überlistung des Teufels."98)

Was aber gilt nun stattdessen? Ellen Flessemann - van Leer sagte in einem Vortrag, Gott habe den Kreuzestod Jesu nicht gewollt. Wenn Gott schon den Tod des Sünders nicht will, wieviel weniger will er den Tod des Gerechten!

Nach neutestamentlichem Zeugnis hat der Teufel den Kreuzestod Jesu bewirkt (Luk. 22,3), aber dem Teufel hat Gott seine Zeit schon bemessen. Ihn wird es im kommenden Gottesreich nicht mehr geben (Offb. 20,14). Er hat keine Zukunft. Das Böse ist, wie Karl Barth lehrte, das Nichtige.99) Es ist real, aber ohne Zukunft und deshalb auch ohne Sinn. Nicht zufällig war man in der Zeit nach Karl Barth in der neutestamentlichen Exegese für die Erkenntnis offen, dass Jesus selbst seinem Tode keinen Sinn gegeben hat. "Zwar bezieht sich urchristlicher Glaube anders als der Mythos auf ein einmaliges geschichtliches Ereignis (am Kreuzestod Jesu ist historisch nicht zu zweifeln), aber dieses Ereignis ist in seiner Heilsbedeutung von Jesus selbst weder verkündigt noch vorausgesagt oder auch nur angedeutet worden."100) Jesus selbst verkündigte und lebte den Anbruch der Gotteskindschaft und nur nachträglich wurde er zum Mittler dafür gemacht. Seine Botschaft, dass für uns die Freiheit der Kinder Gottes begonnen hat, gilt heute. Jetzt, nachdem der Christ von der vermittelten in die unvermittelte Gotteskindschaft übergegangen ist, kann er sich die Worte des Juden Moses Mendelssohn (1729-1786) zu Eigen machen, mit denen dieser damals seine Ablehnung des christlichen Glaubens begründete: "Nach der Lehre des NT (wenigstens wie dieses in öffentlichen Lehrbüchern erklärt wird) muß ich 1) eine Dreieinigkeit in dem göttlichen Wesen, 2) die Menschwerdung einer Gottheit, 3) das Leiden einer Person der Gottheit, die sich ihrer Majestät entäußert hat, 4) die Genugthuung und Befriedigung der ersten Person der Gottheit durch das Leiden und den Tod der erniedrigten zweiten Person glauben Die göttliche Gerechtigkeit heischet keine Genugthuung, sondern eine Bestrafung, eine Züchtigung, welche dem Sünder selbst zum Besten gereichet. Sobald in der Haushaltung Gottes die Strafe nicht mehr zum ewigen Wohl des Sünders unentbehrlich ist, so wird sie ihm erlassen Daß ein Unschuldiger die Schuld eines Andern trage, und wenn er sie auch freiwillig übernehme, kann, meinen Begriffen nach, in dem Staate Gottes von dem allergerechtesten Wesen nicht zugelassen werden."101)

Anmerkungen
1) z.B. Auschwitz, Krise der christlichen Theologie: e. Vortragsreihe hrsg. von Rolf Rendtorff u. Ekkehard Stegemann, München 1980; Friedrich-Wilhelm Marquardt, Von Elend und Heimsuchung der Theologie, München 1988, 74; Erich Zenger, Das Erste Testament, 5.Aufl. Düsseldorf 1995, 12-16
2) Martin Luther Werke, Weimarer Ausgabe 5, 144,17
3) Martin Luther, a.a.O. 7, 336
4) Philipp Jacob Spener, Pia Desideria, hrsg. von Kurt Aland, Berlin 1940, 76
5) Sören Kierkegaard, Furcht und Zittern, Werke III, rowohlts klassiker 89, Reinbek 1961, 64
6) Adolf von Harnack, Das Wesen des Christentums,Siebenstern-Taschenbuch 27, München und Hamburg 1964, 52
7) Adolf von Harnack, a.a.O. 92
8) Dietrich Bonhoeffer, Ethik, Werke Bd.6, München 1992, 141
9) Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Werke Bd.8, Gütersloh 1998, 529-535
10) Christoph Hinz, Entdeckung der Juden als Brüder und Zeugen, in: Zeichen der Zeit, Berlin 1984, 12-30; 42-47
11) Ellis Rivkin, The Shaping of Jewish History, New York 1971, 52 f.: "The Pharisees undermined the concept of priestly intermediation, by positing the possibility of a direct one-to-one relationship between the individual and God."
12) Mischnah, Sanhedrin 4,5; zitiert aus: Ellis Rivkin, a.a.O. 81
13) Ellis Rivkin, a.a.O. 66: "The Pharisees ordained that the Shema - Hear o Israel the Lord Our God, the Lord is one. And thou shalt love the Lord thy God with all thy soul and all thy might. And these commandments which I command thee this day shall be upon your hearts ' - be said by every Jew twice daily, morning and evening. Since the Shema was the only Pentateuchal text elevated so high a status, its teaching must have been viewed as summing up the essence of God's revelation: that God was one; that Israel was committed to proclaiming this unity; that He demanded love and obedience.
14) Arthur Hertzberg, Wer ist Jude?, München u. Wien 2000, 112
15) Ellis Rivkin, a.a.O. 83: "The Pharisaic revolution thus proved to be the decisive mutation of Judaism. It created the one and only form of Judaism which proved viable As such, Pharisaism became a primal force in its own right, for every subsequent form of Judaism was either a variation or a mutation of the Pharisaic form."
16) Theologische Realenzyklopädie Bd.26, Berlin / New York 1996, Artikel "Pharisäer" von Hans-Friedrich Weiß, 481
17) Schalom Ben-Chorin, Bruder Jesus, München 1967, 11 f.
18) Krister Stendahl schreibt dazu: "Es muß betont werden, daß Paulus nicht sagt: Wenn die Zeit des Reiches Gottes, der Vollendung, kommt, dann wird Israel Jesus als den Messias annehmen. Er sagt lediglich: Die Zeit wird kommen, da ganz Israel gerettet werden wird' (11,26). Es ist erstaunlich, daß Paulus diesen ganzen Teil des Römerbriefes schreibt, ohne den Namen Jesu Christi zu erwähnen (10,17-11,26). Dies schließt die Schlußdoxologie mit ein (11,33-36), die einzige Doxologie in seinen Briefen ohne jedes christologische Element" (Der Jude Paulus und wir Heiden, München 1978, 14).
19) Ellis Rivkin, The Shaping of Jewish History, New York 1971, 42-83; Rosemary Ruether, Nächstenliebe und Brudermord, München 1978, 55-65
20) Ellis Rivkin, a.a.O. 52f.: "The role of the Pharisees contrasted sharply with that of the Aaronides. Whereas the essential power of the Aaronides had been concentrated in their expiatory role - no one could gain atonement if he bypassed the altar or resorted to non-aaronide priests - the Pharisees laid no claim to altar rights, nor did they offer themselves as intermediaries between the individual and God." S.77: "The notion of a direct relationship, unmediated by priesthood, between the Father God and his sons had been nurtured by Pharisaism." siehe auch: Rosemary Ruether, a.a.O. 56
21) Dass diese Briefe von Schülern des Paulus verfasst wurden, ist nachgewiesen z.B. in: Hans-Martin Schenke / Karl Martin Fischer, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments I, Berlin 1978, õõ 11, 12 und 14
22) Leo Baeck, Das Wesen des Judentums, Berlin 1905, 91 f.: "Nur wer Halt und Bestimmung seines Daseins in dem einzig einzigen Gott hat, ist ein Jude."
23) Rosemary Ruether, a.a.O. 59
24) Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, München 1965, 11
25) a.a.O. 77
26) Roesemary Ruether, a.a.O. 56
27) a.a.O. 58
28) Ein wichtiges Dokument für den Übergang von der Begeisterung und der Freude darüber, dass das Reich Gottes jenseits von Sünde und Tod nahe gekommen ist, zu einer Haltung des stillen Wartens darauf und der inständigen Sehnsucht danach ist das 4.Buch Esra, das kurz nach der Tempelzerstörung im Jahre 70 n.Chr. geschrieben wurde. Hier fragte der Beter den Herrn: "Wie lange noch? Wann soll das geschehen? Unser Leben ist ja so kurz und elend." Der Herr aber antwortete ihm: "Du willst doch wohl nicht mehr eilen als der Höchste? Denn Du willst Eile um deiner selbst willen, der Höchste aber für viele"(4.Esra 4,33 f.). Mit den "vielen" sind hier die Menschen aus den anderen Völkern gemeint (4.Esra 5,28). Ihretwegen muss der jüdische Beter noch warten.
29) Erich Zenger, Das Erste Testament, 5.Aufl. Düsseldorf 1995, 140-154
30) Ellis Rivkin, a.a.O. 60: "The oral laws had the status of divine revelation, yet they were thrown open to scholarly debate. What was immutable was not the laws themselves, but the authority of the Pharisees over the laws."
31) Der Torah zu widersprechen war schon für die Propheten kein Problem (z.B. Hes. 18,20 versus Ex. 20,5), und es ist erst recht für einen heutigen Juden kein Problem: "Das Judentum sieht auch im sogenannten Feind' das Ebenbild Gottes und verwehrt das, was in Alt-Israel sanktioniert gewesen war: seine Ausrottung" (Walter Homolka / Albert Friedländer, Von der Sintflut ins Paradies. Der Friede als Schlüsselbegriff jüdischer Theologie. Darmstadt 1993. 2). Die Verfasser wandten sich hier offenbar gegen Ex. 17,14-16, Deut. 25,17-19, 1.Sam. 15,2 f. Noch schärfer heißt es bei Arthur Hertzberg: "Die Nazis ermordeten sechs Millionen Juden, um die Welt von einer angeblich minderwertigen Rasse zu säubern Doch dürfen wir nicht vergessen, daß bei der Eroberung des Landes Kanaan auch Juden das Recht für sich in Anspruch nahmen, ein anderes Volk zu vernichten. Im Alten Testament findet sich mehrfach das Gebot, daß die götzendienerischen Völker, die in diesem Land ansässig waren, vernichtet werden müßten, so daß keine Spuren ihrer Götter oder ihrer unmoralischen Bräuche übrigblieben. Das Gewissen der Juden wurde von dieser Geschichte gequält." Sie "wissen, daß der Talmud sich zu diesem Punkt unzweideutig äußert: Die unbarmherzige Eroberung des Gelobten Landes liegt weit, weit zurück. Sie war ein einmaliges Ereignis; es ist verboten, etwas Žhnliches jemals zu wiederholen" (Arthur Hertzberg, Wer ist Jude? München, Wien 2000, 39-41).
32) Leo Baeck, Das Wesen des Judentums, Berlin 1905, 150 f.
33) "Baeck erkannte ihre Nützlichkeit für die Bewahrung der Gemeinde an - während die Orthodoxie natürlich empört war über diese liberale Einstellung zum Ritual" (Albert Friedländer, Leo Baeck: Leben und Lehre, 2.Aufl. Gütersloh 1996, 102)
34) Rosemary Ruether, a.a.O. 60
35) Umkehr und neue Einsicht - Kirchl. Versuche e. Verhältnisbestimmung von Juden und Christen. E. Materialsammlung d. Ev. Arbeitskreises Kircheu. Israel in Hessen und Nassau, 1990. 23 - 27
36) Schalom Ben-Chorin, Die Antwort des Jona, Hamburg 1956, 97
37) Rosemary Ruether, a.a.O. 59 f.
38) Franz Rosenzweig, Briefe, hrsg. von E. Rosenzweig, 73 f.
39) Ellis Rivkin, a.a.O. 57: "God, so the Pharisees taught, was preeminently a Father, not only the Father of a people, but the Eternal Father of the individual."
40) Harvey Falk, Jesus the Pharisee. A New Look at the Jewishness of Jesus, New York 1985 Klaus Berger, Jesus als Pharisäer und frühe Christen als Pharisäer, Novum Testamentum. An international quarterly for New Testament and related studies, Bd. 30, Leiden 1988, 231-262
41) Ellis Rivkin, a.a.O. 53: "The Pharisees elevated the individual above the cultic system, even as they preserved the cult. They did not make a direct frontal assault against the Temple, but confirmed the legitimacy of its function at the same time as they were depriving the cultic system of its central importance. They made the cultus less relevant, and dimmed its luster, by focusing attention on the individual and his salvation."
42) Ellis Rivkin, a.a.O. 53; 82
43) Der Jerusalemer Talmud in deutscher Übersetzung I, 1975, 242 f.
44) Adin Steinsaltz, The Essential Talmud, Bantam book New York 1976, 205
45) Die Lehren des Judentums nach den Quellen Bd. I, neu herausgegeben von Walter Homolka, München 1999, 83; Das Zitat "Der Lohn der guten Tat ist die gute Tat, und die Vergeltung der Sünde ist die Sünde" steht in Sprüche der Väter IV,2.46) Gerd Theissen / Annette Merz, Der historische Jesus, 2.Aufl. Göttingen 1997, 211
47) Sprüche der Väter, Kap. 3; vgl. auch IV.Esra 6,6: "Damals habe ich alles vorbedacht, und durch mich und niemand weiter ward es erschaffen; so auch das Ende durch mich und niemand weiter!"
48) Mark Aurel, Selbstbetrachtungen, Zweites Buch, Nr.9: "Halte dir immer gegenwärtig, welches die Natur des Weltalls und welches die deinige ist, welche Beziehungen diese zu jener hat und welch einen Teil von welchem Ganzen du ausmachst, und dann, daß niemand es dir verwehren kann, dasjenige zu tun oder zu sagen, was mit der Natur, von der du selbst ein Teil bist, übereinstimmt."
49) Jürgen Becker, Jesus von Nazaret, Berlin / New York 1996, 349-358
50) Hier zeigt sich ein Mangel in Rivkins Darstellung der Pharisäer: "The Pharisees claimed no expiatory powers, as Jesus was subsequently to be reminded (Mark 2:6-12). Their function was to teach the demands of the twofold Law, and to urge the individual to abide by them" (Ellis Rivkin, a.a.O. 52).
51) Leo Baeck, Geheimnis und Gebot, in: Jüdischer Glaube. E.Auswahl aus zwei Jahrtausenden, hrsg. v. Kurt Wilhelm, S.487-500; Zitat S.498
52) Agende für die Evangelische Kirche der Union, 1.Band Die Gemeindegottesdienste, 2.Aufl. Witten 1969, 222
53) Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, Berlin/Bielefeld/Hannover 1999, 589
54) Wenn heute Menschen jüdischer Abstammung aus atheistischer Umwelt und Denkweise kommend auf der Suche nach einem Glauben sind, so sollte der Christ sie zuerst auf die verschiedenen Richtungen des Judentums hinweisen und nur danach, falls sie es wünschen, ihnen auch den christlichen Glauben vorstellen. Wenn sie dann sich entscheiden, Christen oder "messianische Juden" zu werden, so sollte ihre Entscheidung, sofern sie unabhängig von finanziellen und gesellschaftlichen Verlockungen gefällt wurde, akzeptiert werden im Vertrauen darauf, dass Christus auch für sie der Weg zum Vater ist. Einer christlichen Kirche beizutreten darf ihnen nicht verwehrt werden.
55) Karl Barth, Kirchliche Dogmatik II,1, Zollikon 1958, 367-394
56) Z.B. in der 6. Strophe des Osterliedes von Paul Gerhardt "Auf auf, mein Herz, mit Freuden": "Ich hang und bleib auch hangen an Christo als ein Glied; wo mein Haupt durch ist gangen, da nimmt er mich auch mit. Er reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not, er reißet durch die Höll; ich bin stets sein Gesell."
57) Moses Maimonides schrieb in den letzten beiden seiner 13 Glaubensartikel: "Ich glaube mit voller Überzeugung an das Erscheinen des Messias, und wenn er auch säumt, so harre ich trotzdem täglich seiner Ankunft. Ich glaube mit voller Überzeugung, dass eine Auferstehung der Toten zu der Zeit stattfinden wird, die dem Schöpfer wohlgefallen wird."
58) Paulus versuchte das Verständnis des urchristlichen Hymnus Phil. 2,6-11 zu korrigieren, indem er in Vers 5 klarstellte, dass wir selbst "in Christus" zu leben berufen sind und es nicht genügt, ihn nur als Herrn zu verehren (Ernst Käsemann, Kritische Analyse von Phil. 2,5-11, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen Bd.1, Göttingen 1960, 51-95. 90-92).
59) Des heiligen Augustinus Bekenntnisse, lateinisch-deutsch, übertragen und eingeleitet von Hubert Schiel, Freiburg 1959, 1: "Fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te."
60) a.a.O. 377: "Sequere dominum, ut fiant et tibi luminaria in firmamento caeli: quod non fiet, nisi fuerit illic cor tuum."
61) Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe 39,1 45,9: "Credo quidem filium Dei passum et resuscitatum, Sed hoc totum pro me, pro peccatis meis."
62) Martin Luther, Werke, Weimarer Ausgabe 40,1 285,24: "Verum recte docenda est fides, quod per eam sic conglutineris Christo, ut ex te et ipso fiat quasi una persona quae non possit segregari sed perpetuo adhaerescat ei et dicat: Ego sum ut Christus, et vicissim Christus dicat: Ego sum ut ille peccator, quia adhaeret mihi, et ego illi."
63) Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie, in: Kerygma und Mythos 1, 4.Aufl. Hamburg-Bergstedt 1960, 15-48. 44. Dieser Aufsatz erschien erstmals 1941.
64) Rudolf Bultmann, a.a.O. 45
65) Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Briefe an einen Freund vom 30.4.44, 5.5.44, 8.6.44, 8.7.44, 16.7.44, 18.7.44, 21.7.44
66) Johannes Weiß, Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes, 1892, 49 f.
67) Johannes Weiß, a.a.O. 67
68) Albert Schweitzer, Geschichte der Leben Jesu Forschung, 4.Aufl. 1926, 639-642
69) Rudolf Bultmann, a.a.O. 29
70) Rudolf Bultmann, a.a.O. 18
71) So lauten die letzten Worte in Rudolf Bultmanns Buch "Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen"
72) Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung 177
73) Jürgen Moltmann, a.a.O. 303
74) dorothee sölle, meditationen & gebrauchstexte, 4.Aufl. Berlin 1982, 7:
" Ist auch ein unglück in der stadt das der herr nicht tue' kann auch ein abgetriebenes wieder strampeln singt auch ein erfrorener wieder sind schoon da'
kriegt auch ein lebenslänglicher amnestie wird auch nur eine puppe wieder ganz
kann auch ein lächeln zurück in das leergewordne gesicht trocknen auch tränen
hört es auch auf zu riechen zwischen krakau und kattowitz
fällt auch ein stein wieder herauf ein blitz und verseuchter regen kann auch das verkaufte keinem gehören kann auch ein verbrauchter ungebraucht sein
WIEDER ein wort aus der neuen sprache wir werden es brauchen wenn unsere goldenen trompeten die mauern zerblasen
alle mauern"
75) Rosemary Ruether, Nächstenliebe und Brudermord 62
76) Jean Paul, Werke II, Darmstadt 1959, Siebenkäs (S.7-565), erstes Blumenstück, Rede des toten Christus vom Himmelsgebäude herab, dass kein Gott sei (S.266-271)
77) Friedrich Nietzsche, Der tolle Mensch, in: Die fröhliche Wissenschaft, drittes Buch, Nr.125
78) Martin Krapf, Kein Stein bleibt auf dem anderen: Die christliche Schuld am Antisemitismus, Neukirchen-Vluyn 1999, 67-85
79) Dietrich Bonhoeffer, Ethik, Werke Bd.6, München 1992, 62
80) Die Formel "Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt" (Joh. 1,29) fand der vierte Evangelist schon vor (Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Berlin 1963, 66 f.). Er zitierte sie, doch entfaltete er sie nicht in seiner eigenen Theologie. Wer als Freund und nicht als Knecht des göttlichen Offenbarers (Joh. 15,14 f.) die Werke auch tut, die er tut (Joh. 14,12), der hat ein Sühnopferlamm nicht nötig. Auch Paulus benutzte in Röm. 3,25 eine schon vorhandene Deutung des Kreuzestodes Jesu (Ernst Käsemann, An die Römer, Tübingen 1973, 89-94), um zu betonen, dass wir nun, nachdem wir durch den Glauben gerecht (Röm. 3,28) und frei von der Sünde geworden sind (Röm. 6,7), nicht weiter eines Sühnopfers bedürfen.
81) Irenäus, Werke, hrsg. W.W.Harvey, Cambridge 1857, 4,20,2
82) Irenäus, a.a.O. 3,18,1
83) Athanasius, Werke, hrsg. H.G.Opitz, Berlin 1934 ff., c.9
84) Athanasius, a.a.O. c.54
85) Bengt Hägglund, Geschichte der Theologie, Berlin 1983, 61
86) Friedrich Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, 7.Aufl. Tübingen 1968, 285-287
87) Anselm von Canterbury, Cur Deus Homo - Warum Gott Mensch geworden, München 1956, 1.Buch Kap.21: "Nondum considerasti quanti ponderis sit peccatum" ("Du hast noch nicht erwogen, von welcher Schwere die Sünde ist".).
88) Anselm von Canterbury, a.a.O. 2.Buch Kap.19
89) Theobald Beer, der fröhliche Wechsel und Streit, Leipzig 1974
90) Friedrich D. E. Schleiermacher, Glaubenslehre, bes. õ 110
91) Adolf von Harnack, Das Wesen des Christentums, Siebenstern-Taschenbuch 27, 52
92) Karl Barth, Kirchliche Dogmatik II,2, Zürich 1959, 101
93) Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie, in: Kerygma und Mythos I, Hamburg 1960, S.15-48. 42
94) Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, Werke Bd.4, München 1989, 81
95) Dietrich Bonhoeffer, a.a.O. 121
96) Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, Nr. 41
97) Rudolf Bultmann, Neues Testament und Mythologie, in: Kerygma und Mythos I, Hamburg 1960, S.15-48. 42
98) Fritz Buri / Jan Mili Lochman / Heinrich Ott, Dogmatik im Dialog Bd.3, Gütersloh 1976, 187
99) Karl Barth, Kirchliche Dogmatik III/3, Zürich 1961, 327-425
100) Wolfgang Schrage, Das Verständnis des Todes Jesu Christi im Neuen Testament, in: Ernst Bizer / J.F.Gerhard Goeters / Wolfgang Schrage / Walter Kreck / Walther Fürst, Das Kreuz Jesu Christi als Grund des Heils, Berlin 1969, 45-86.47
101) Moses Mendelssohn an den Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel. In: M.Mendelssohns gesammelte Schriften, 3.Band, Leipzig 1843, 129-134

Der Verfasser ist Pastor der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und arbeitet als Dozent für Dogmatik, Neues Testament, Kirchengeschichte, Kunstgeschichte und Konfessionskunde in der Ausbildungsstätte für Diakoninnen und Diakone der Neinstedter Anstalten.
Er ist der Vertreter seiner Landeskirche in der Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise "Christen und Juden" (KLAK) im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Seine Adresse: Dr. Hans Schleiff, Osterberg 19, 06502 Neinstedt,
e-mail:
H.Schleiff.Lindenhof@t-online.de

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