Früchte des Zorns

Die Intifada entzweit zunehmend jüdische und arabische Israelis

von Wladimir Struminski

Sicher wurden die Optimisten, die ein friedliches Zusammenleben zwischen arabischen und israelischen Israelis für einen dauerhaften Zustand hielten, von Kritikern immer schon belächelt. Kurz nach Ausbruch der "zweiten Intifada", im Ende September 2000, wurden sie eines Besseren belehrt. Schlagartig geriet das Verhältnis zwischen arabischen Israelis und dem jüdischen Staat in eine schwere Krise. Aus Solidarität mit den Palästinensern im Westjordanland und in Gasa gingen damals in Israel zahlreiche arabische Demonstranten auf die Straße. Bei den zum Teil von gewalttätigen Randalen begleiteten Kundgebungen kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, Konfrontationen zwischen Demonstranten und der Polizei, die auch Schußwaffen einsetzte. Dabei kamen dreizehn arabische Bürger ums Leben. Seitdem sind vergleichbare Ereignissen zwar ausgeblieben. Gleichwohl kann die relative Ruhe nicht darüber hinwegtäuschen, daß es um das jüdisch-arabische Verhältnis dieser Tage nicht zum besten bestellt ist.

Auf jüdischer Seite ist die Furcht vor einer zunehmenden Radikalisierung der israelischen Araber, die für die israelische Gesellschaft und Politik verheerende Folgen haben kann, keineswegs verschwunden. Auf politischer Ebene werden solche Ängste nicht zuletzt von Knessetabgeordneten der arabischen Parteien geschürt. Nicht nur ergreifen die arabischen Deputierten im israelisch-palästinensischen Konflikt, sei es aus nationalistischen, sei es aus religiösen Beweggründen, Partei für die PNA. Vielmehr fallen sie auch durch ihren provokativen Stil auf. So etwa warfen sie Israel wiederholt eine Politik von Mord, Terrorismus oder auch Apartheid vor Äußerungen, die auch jüdische Kritiker der Regierungspolitik unannehmbar finden.

Eine weitere Belastung stellt auch die Tatsache dar, daß einzelne israelische Araber palästinensischen Terroristen bei der Vorbereitung von Anschlägen offensichtlich geholfen haben. Mag es sich hierbei auch nur um Ausnahmefälle handeln, so lösen sie unter Juden nicht selten Mißtrauen gegen Araber schlechthin aus. Berichte, denen zufolge palästinensische Terrororganisationen immer wieder Helfer unter der arabischen Bevölkerung in Israel anzuwerben suchen, tragen ebenfalls nicht zur Beruhigung der jüdischen Israelis bei.

Aber auch unter Arabern machen sich Mißtrauen und Groll breit. Zum einen hält der Zorn über die Ereignisse vom Oktober 2000 an. Argumente der Polizei, ihre Beamten hätten nur zur Lebensrettung auf gewalttätige Demonstranten geschossen, entsprächen, so ein Vorwurf, nicht den Tatsachen. Zudem werde die von einer staatlichen Untersuchungskommission in Angriff genommene Aufklärung der damaligen Vorfälle nicht entschlossen genug betrieben.

Auch die Solidarität mit Palästinensern in den Gebieten spielt eine wichtige Rolle für das Verhältnis israelischer Araber zu ihrem Staat. Viele beschuldigen die Regierung, durch ihre Politik gegenüber den Palästinensern die entscheidende Schuld an der heutigen Krisensituation und am palästinensischen Terrorismus zu tragen. Daher habe die israelische Regierung die Terrorakte - auch wenn diese an sich abzulehnen seien - letztendlich sich selbst zuzuschreiben. Äußerungen dieser Art sind auch von Arabern zu hören, die sich bisher als Befürworter jüdisch-arabischer Koexistenz einen Namen gemacht haben.

Um das Zusammenleben ist es ohnehin nicht allzu gut bestellt. Zwar treten Organisationen, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten für jüdisch-arabische Verständigung und Zusammenarbeit eintreten, unverändert für Ausgleich und gegenseitiges Kennenlernen ein. Die Aufrufe zu mehr Kontakten verhallen aber größtenteils ungehört: Die Zahl der Menschen, die am jüdisch-arabischen Dialog teilnehmen, ist deutlich niedriger als vor Ausbruch der Konfrontation.

Je länger sich auf beiden Seiten Furcht, Zorn und Entfremdung aufbauen, um so schwieriger wird in Zukunft eine Wiederannäherung sein. Jetzt schon erscheint zumindest einem Teil der Juden wie der Araber ein Zusammenleben als kaum noch möglich wenn nicht gar unerwünscht. So taucht auf jüdischer Seite verstärkt der Vorschlag auf, arabische Ortschaften im israelischen Kernland im Rahmen einer künftigen Regelung an die Palästinenser abzutreten. Der Idee mag sich auch in gemäßigten Kreisen nicht jedermann verschließen. So regte Verkehrsminister Efraim Sneh, einer der führenden Politiker der Arbeiterpartei, vor einigen Wochen an, grenznahe arabische Ortschaften gegen israelische Souveränität über einen Teil der Siedlungen auszutauschen.

Das lehnen Vertreter der arabischen Bevölkerung ab. Stattdessen strebt ein Teil von ihnen weitreichende Autonomie innerhalb des israelischen Staatsverbandes an. Ausdruck eines Wunsches nach mehr Gemeinsamkeit der beiden Volksgruppen ist freilich auch diese Vorstellung nicht.

Jüdische Allgemeine, 24. April 2002

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