Enteignung
          Was geschah mit den Besitztümern der ermordeten Juden Europas?
          Zur Ökonomie der Nazis
          von Götz Aly
        Landläufig stellt man sich den "Arisierungsgewinnler" 
          als beziehungsreichen Selbstständigen oder Konzernmanager vor, 
          auch als korrupten kleineren oder größeren Nazifunktionär, 
          manchmal als Kollaborateur, der sich seine schmutzigen Dienste für 
          die Besatzungsmacht aus "entjudetem" Eigentum honorieren ließ. 
          Nur schwach wird im öffentlichen Bewusstsein gehalten, dass 1942/43 
          in Hamburg allein aus Holland 45 Schiffsladungen mit insgesamt 27227 
          Tonnen "Judengut" gelöscht wurden - gedacht als unbürokratische 
          Aufmunterung für die von Bombenangriffen extrem schwer getroffene 
          Stadt. Bei den regelmäßigen Volksauktionen im Hafen ersteigerten 
          sich mehr als 100000 Hamburger einzelne Stücke aus dem Geraubten 
          - genauer gesagt: hauptsächlich Hamburgerinnen, die Männer 
          standen an der Front. Eine Augenzeugin berichtete: "Die einfachen 
          Hausfrauen auf der Veddel trugen plötzlich Pelzmäntel, handelten 
          mit Kaffee und Schmuck, hatten alte Möbel und Teppiche aus dem 
          Hafen, aus Holland, aus Frankreich
" Mitten im Krieg.
          Doch führt jede Darstellung, die sich allein auf die genannten, 
          sehr unterschiedlichen Kreise von Profiteuren konzentriert, in die Irre. 
          Sie verfehlt den Kern der Sache, wenn versucht werden soll, die Frage 
          zu beantworten, wo das Eigentum der expropriierten und zum großen 
          Teil ermordeten Juden Europas geblieben ist. Sie lässt sich nur 
          dann klären, wenn immer wieder die Finanzverwaltungen und Nationalbanken 
          in Deutschland, in den verbündeten und besetzten Ländern in 
          den Blick genommen werden.
          Zwei Tage nach dem Pogrom vom 9. November 1938 verfügte Hermann 
          Göring die Zahlung von einer Milliarde Reichsmark als "Sühneleistung 
          der deutschen Juden". Mit seiner Durchführungsverordnung gestaltete 
          das Reichsfinanzministerium die "Sühneleistung" zu einer 
          Vermögensabgabe von 20 Prozent aus. Jeder Betroffene musste die 
          fällige Geldsumme in vier Teilbeträgen an das zuständige 
          Finanzamt entrichten, und zwar "ohne besondere Aufforderung" 
          am 15. Dezember 1938, am 15. Februar, 15. Mai und 15. August 1939.
          Insgesamt trieb der Fiskus auf diesem Weg 1,2 Milliarden Reichsmark 
          bei und verbuchte sie unter dem Haushaltstitel "Sonstige Einnahmen". 
          Die regulären Reichseinnahmen beliefen sich im Haushaltsjahr 1938/39 
          auf etwa 20 Milliarden Reichsmark. Die Judenkontribution erhöhte 
          sie also um sechs Prozent. Wenn man sich für einen Moment vorstellt, 
          der Bundesfinanzminister könnte heute ohne Steuererhöhungen 
          über plötzliche Mehreinnahmen von sechs Prozent verfügen 
          - das wären 15 Milliarden Euro -, dann offenbart sich sofort, wie 
          entspannend die Zusatzeinnahme von 1,2 Milliarden Reichsmark auf den 
          Durchschnittsarier gewirkt haben muss.
          Am 23. November 1938 erörterten die Vorstände der fünf 
          Berliner Großbanken - neben den drei heute noch aktiven Bankhäusern 
          Dresdner, Commerz- und Deutsche Bank die Reichskreditgesellschaft und 
          die Berliner Handelsgesellschaft - im Reichswirtschaftsministerium "die 
          sich durch die Judengesetzgebung ergebende Situation" und erfuhren 
          dort von dem Beschluss einer "Überführung des gesamten 
          Grundstücks- und Effekten-Vermögens aus jüdischem Besitz 
          in zunächst staatliche und später vielleicht private Hände". 
          In Aussicht standen weitere sechs Milliarden Reichsmark, also eine Verstetigung 
          der Zusatzeinnahmen für die nächsten Jahre. Die deutschen 
          Banken gewährten Juden keine Darlehen mehr, weil sie infolge der 
          politischen Diskriminierung zu - kredittechnisch gesprochen - "schlechten 
          Risiken" geworden waren. Um die Zwangsabgabe zu bezahlen, mussten 
          die Tributpflichtigen daher Wertpapiere, Schmuck und Grundstücke 
          veräußern.
          Das machte die Bankiers nervös, da sie "überstürzte 
          und unsachkundige Verkäufe" von Aktien und damit die Gefahr 
          einer "Déroute am Effektenmarkt" befürchteten. 
          Schließlich ging es um den für damalige Begriffe "ungeheuren 
          Effektenblock" von 1,5 Milliarden Reichsmark. Sie wollten, dass 
          die Aktienpakete "langsam und unter entsprechender Marktpflege" 
          verkauft würden, mit der Einschränkung allerdings, "dass 
          ein Kursrisiko irgendwelcher Art den Banken nicht aufgebürdet werden" 
          dürfe. Zur technischen Durchführung erklärten sie: "Wir 
          schlagen vor, die so anfallenden Effekten zur Vermeidung unnötiger 
          Arbeit bei den Hinterlegungsstellen, bei denen sie zur Zeit deponiert 
          sind, zu Gunsten des Reichsfinanzministeriums zu sperren und sie dann 
          je nach Lage des Kapitalmarktes sachlich und pfleglich zu Gunsten der 
          Reichsfinanzverwaltung zu veräußern." Aber der Hitler-Staat 
          war pleite. Das Reichsbankdirektorium warnte längst schon vor dem 
          "unbegrenzten Anschwellen der Staatsausgaben", das "trotz 
          ungeheuerer Anspannung der Steuerschraube die Staatsfinanzen an den 
          Rand des Zusammenbruchs" führe. In dieser Situation erboten 
          sich die Banken, "der Reichsfinanzverwaltung auf die abzuliefernden 
          Effekten [der Juden, d. A.] einen angemessenen Kassenvorschuss zu gewähren, 
          über dessen Bedingungen eine Verständigung wohl unschwer erfolgen 
          könnte". So wurde verfahren.
          Die Spitzen der deutschen Großbanken betätigten sich in diesem 
          Fall nicht als Räuber, wohl aber als Raubgehilfen, als konstruktive 
          Mitorganisatoren, die das effektivste Enteignungsverfahren gewährleisteten. 
          Ferner machten sie sich zu Hehlern. Sie verwandelten das Geraubte in 
          bares Geld. Für den Vertrauensbruch und Kundenverrat berechnete 
          zum Beispiel die Deutsche Bank ein halbes Prozent Verkaufsprovision 
          zuzüglich der Umschreibungsspesen zulasten ihrer jüdischen 
          Kunden. Auch belebte der weitere Handel mit den vorübergehend verstaatlichten 
          Wertpapieren das Geschäft und eröffnete die Möglichkeit 
          des eigenen, privilegierten Zugriffs. In der Hauptsache jedoch floss 
          der Erlös in die deutsche Staatskasse und minderte die Lasten für 
          die Allgemeinheit. Dasselbe galt selbstverständlich auch für 
          Lebensversicherungen, die zum vertraglich festgelegten Rückkaufwert 
          an den Reichsfiskus ausbezahlt wurden.
          Will man darüber hinaus die Enteignung der Juden in den von Deutschland 
          besetzten und abhängigen Ländern begreifen, dann erfordert 
          das einen kurzen Blick auf die Technik der Kriegsfinanzierung. Der Erste 
          Weltkrieg wurde in Deutschland zu 84 Prozent über Anleihen finanziert, 
          nur zu 16 Prozent aus Steuern und Abgaben. Für den mehr als viermal 
          so teuren Zweiten Weltkrieg galt von Anfang an die "goldene Deckungsquote" 
          von 50 Prozent Staatseinnahmen und 50 Prozent Verschuldung. So sollte 
          gleich jede Erinnerung an die Kriegsinflation von 1914 bis 1918, die 
          immerhin 100 Prozent ausgemacht hatte, und an die Hyperinflation von 
          1923 vermieden werden. Diese Vorgabe konnte die deutsche Finanzverwaltung 
          bis einschließlich 1944 einigermaßen durchhalten. Nur wie? 
          Etwa die Hälfte der regulären Staatseinnahmen hatten die besetzten 
          und abhängigen Länder aufzubringen. Ihnen wurden ungeheuerliche 
          Kontributionen und weit überhöhte Besatzungskostenzahlungen, 
          Kredite und selbst Kriegsanleihen aufgebürdet. Man rechnet mit 
          insgesamt etwa 100 bis 120 Milliarden Reichsmark.
          Jüdische Vermögen verwandeln sich in Soldatensold
          Prinzipiell sollte sich der Krieg nach dem Willen der deutschen Führung 
          weitgehend aus den besetzten Ländern finanzieren. Daher bezogen 
          deutsche Soldaten ihren Sold stets in der jeweiligen Landeswährung 
          und sollten ihn dort möglichst verausgaben. Auf dieselbe Art wurden 
          alle Dienstleistungen, Rohstoff-, Material- und Lebensmittellieferungen 
          für die deutsche Wehrmacht und für die Ausfuhr ins Reich bezahlt. 
          Das verlagerte den für einen Krieg typischen Inflationsdruck aus 
          Deutschland ins europäische Ausland. Nun konnten die deutschen 
          Besatzungsverwaltungen und Kollaborationsregierungen zwar eine mäßige 
          Geldentwertung in Kauf nehmen, nicht jedoch eine galoppierende. Sie 
          würde, das war allen Verantwortlichen klar, sofort jede okkupatorische 
          Ordnung untergraben und die geregelte Ausplünderung der unterworfenen 
          Länder verunmöglichen. An dieser Stelle der Kriegsfinanzpolitik 
          kamen - unter äußerster Geheimhaltung - die Vermögen 
          der europäischen Juden ins Spiel.
          Nehmen wir als erstes Beispiel das Militärverwaltungsgebiet Serbien. 
          Hier hatten die Deutschen bereits Anfang Mai 1942 alle Juden ermordet, 
          derer sie habhaft geworden waren; hier stellte sich die Frage nach der 
          vollständigen Verwertung ihrer materiellen Hinterlassenschaft früh. 
          Natürlich hatten sich an den herrenlos gewordenen Werten bereits 
          eine Vielzahl von Interessenten bereichert, insbesondere Volksdeutsche 
          im Westbanat. Aber das Vermögen der Belgrader Juden war noch zu 
          mehr als 80 Prozent unberührt geblieben. Nach einigen Diskussionen 
          verfügte Göring am 25. Juni 1942, "das jüdische 
          Vermögen in Serbien" sei "zu Gunsten Serbiens einzuziehen". 
          Damit beabsichtigte er - so wörtlich - "eine finanzielle Hilfe 
          für den durch die Last der Besatzungskosten ohnehin stark beanspruchten 
          serbischen Staatshaushalt zu ermöglichen". Die serbische Kollaborationsregierung 
          erließ das entsprechende Gesetz.
          Im Sommer 1942 betrugen die monatlichen Besatzungskosten 500 Millionen 
          Dinar; das Gesamtvermögen der serbischen Juden schätzte man 
          auf drei bis vier Milliarden Dinar. Zum Zeitpunkt der Berliner Entscheidung 
          reichte diese Summe also aus, um die Besatzungskosten für ein gutes 
          halbes Jahr zu decken beziehungsweise dafür, über einen längeren 
          Zeitraum den Inflationsdruck auf die serbische Währung zu mindern. 
          Praktisch lenkte die deutsche Besatzungsverwaltung auf Anordnung der 
          Reichsregierung die Erträge aus der Verwertung des jüdischen 
          Gesamtvermögens zuerst in die serbische Staatskasse und von dort 
          - gemischt mit dem Geldstrom, der sich hauptsächlich aus der Notenpresse 
          speiste - in den Besatzungskostenhaushalt. 
          Am 19. März 1944 besetzten die Deutschen das bis dahin verbündete 
          Ungarn. Im April enteigneten ungarische Behörden die 700000 Juden 
          des Landes komplett, 430000 von ihnen wurden im Mai und Juni in großer 
          Eile nach Auschwitz deportiert. Die Besatzungskosten, die die Deutschen 
          zunächst verlangten, lagen bei 75 Prozent des durch die ungarische 
          Beteiligung am Krieg gegen die Sowjetunion schon stark aufgeblähten 
          Staatshaushalts. Am 31. Mai 1944 erklärte der zuständige Beamte 
          im Reichswirtschaftsministerium auf einer Sitzung des "Ungarn-Ausschusses" 
          zur Frage der Besatzungslasten: "Die ungarische Judengesetzgebung 
          ist inzwischen weiter vervollständigt worden. Die ungarische Regierung 
          rechnet damit, dass die großen finanziellen Anstrengungen, die 
          im Rahmen der gemeinsamen Kriegsführung notwendig werden, weitgehend 
          aus dem Judenvermögen bestritten werden können. Die Vermögen 
          sollen mindestens ein Drittel des Nationalvermögens betragen."
          Der für die Enteignung zuständige ungarische Beamte - es handelte 
          sich um den Verwaltungschef des Branntweinmonopols - teilte zum selben 
          Zeitpunkt mit, "dass die beschlagnahmten Judenvermögen zur 
          Deckung der Kriegskosten und zur Wiedergutmachung der durch Bombenangriffe 
          verursachten Schäden verwendet werden". Die Neue Zürcher 
          Zeitung analysierte am 3. August 1944 die Lage in Ungarn: "Bei 
          der Arisierung jüdischer Unternehmen ist der behördlich festgesetzte 
          Kaufpreis sofort in bar zu bezahlen, was zeigt, dass die Aktion wie 
          seinerzeit in Deutschland eine gewisse fiskalische Bedeutung (Erleichterung 
          der Kriegsfinanzierung) besitzt." Die Sachwerte und Depositen wurden 
          wie überall von Ungarn für Ungarn verwertet - in Geld verwandelt, 
          floss der Erlös dann zu einem erheblichen Teil in die deutsche 
          Kriegskasse. 
          Die Plünderung der Juden von Saloniki im Jahre 1943
          Nehmen wir als letztes Beispiel den Spezialfall Griechenland. Hier herrschte 
          im Herbst 1942 eine extrem schnell voranschreitende Entwertung des Geldes. 
          In dieser Situation ernannte Hitler im Oktober einen Sonderbeauftragten, 
          dem sofort der Judenreferent des Auswärtigen Amtes zur Seite gestellt 
          wurde. Er hieß Eberhard von Thadden und beteiligte sich bis zum 
          Februar 1943 an den Vorbereitungen zur Deportation der nordgriechischen 
          Juden, das waren fast ausschließlich die mehr als 50000 jüdischen 
          Bürger von Saloniki. In seinen Reisekostenabrechnungen gab von 
          Thadden als Grund seiner Athen-Flüge an: "Sonderauftrag des 
          Führers betr. Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse 
          in Griechenland".
          Dort hatte sich neben der Drachme bereits eine zweite Währung etabliert 
          - das Gold. Daher brauchten es auch die Deutschen. Ihre Goldforderungen 
          an die jüdische Kultusgemeinde und an wohlhabende Einzelpersonen 
          setzten sofort mit der "Aktion zur Stabilisierung der griechischen 
          Währung" ein. Aus den Berichten der Überlebenden ist 
          bekannt, wie der Wehrmachtsbefehlshaber von Saloniki, Max Merten, die 
          verängstigten und gedemütigten Juden mit falschen Versprechen 
          immer wieder zu Zahlungen zwang und höhnisch brüllte: "Goldbarren 
          sind der Tarif". Einige Tage vor der Deportation nach Auschwitz 
          im März 1943 wurden die Opfer in ein kleines Warteghetto in der 
          Nähe des Bahnhofs von Saloniki gebracht: "Dort mußten 
          sie alles abgeben, Schmuck und alle goldenen Gegenstände."
          Mithilfe von Spitzeln und Folter zwangen Mitarbeiter Eichmanns die Wehrlosen, 
          die Verstecke ihres Schmuckes und Goldes preiszugeben. So "füllte 
          sich die Schatzkammer der Vélissarioustraße mit allen Kostbarkeiten 
          Ali Babas", wie es bei Michael Molho, dem griechisch-jüdischen 
          Chronisten der Tragödie heißt: "Auf den Tischen lagen 
          wohlgeordnet und in verschiedenen Haufen Ringe mit Diamanten und Edelsteinen 
          aller Nuancen und Größen, Broschen, Medaillons, Armreifen, 
          Goldketten, Trauringe, Uhren in jeder Form, Münzen, geordnet nach 
          Bildern und Jahreszahlen, amerikanische und kanadische Dollars, Pfund 
          Sterling, Schweizer Franken etc. Auf der Erde häuften sich an: 
          Vasen, chinesische Porzellangefäße, seltene Objekte, enorme 
          Stapel von Teppichen. Es war, auf diesem Raum relativ zusammengepfercht, 
          ein Überfluss an Reichtümern, den selbst die überschwengliche 
          Phantasie eines Alexandre Dumas nicht sich hätte spiegeln lassen 
          in den Augen seines Monte Christo." Allein an Gold erbeuteten die 
          Deutschen in Saloniki nach verlässlichen Feststellungen aus dem 
          Jahr 1946 "die eindrucksvolle Menge von über 12 t. Feingold". 
          Zu diesem Zweck wurden selbst noch die Gräber auf dem in Bauland 
          umgewandelten uralten jüdischen Friedhof von Thessaloniki nach 
          Gold durchwühlt.
          Das geraubte Gold setzten die Deutschen ausgesprochen effizient ein. 
          Sie verwandten es mit Wissen der griechischen Finanzverwaltung und mithilfe 
          griechischer Vertrauensmakler zu Stützungskäufen an der Börse. 
          Kaum ging es im Juli/August 1943 zur Neige, stieg die Inflation wieder 
          steil an. Daher flogen die Deutschen im letzten Jahr der Besatzung acht 
          Tonnen Gold zur weiteren Währungsstabilisierung nach Griechenland 
          ein. Auch dieses Gold war geraubt - von überall in Europa, nicht 
          allein von Juden, aber auch. Doch zeigt der Transport nach Griechenland, 
          wie wichtig dieses Mittel war, um die täglichen Kriegskosten zu 
          bezahlen. "Als Vorteil der Goldverkäufe", so resümierte 
          Hitlers Sonderbeauftragter für Griechenland, "steht die technische 
          Entlastung der Notenpresse fest, da mittels Gold erhebliche Mengen Banknoten 
          bar für den Wehrmachtsbedarf herausgeholt wurden."
          Im Oktober 1942 mussten die rumänischen Juden Gold, Silber, Schmuck 
          und Wertsachen an die Staatskasse des Landes abliefern, um die Währung 
          zu stabilisieren. Offensichtlich konnten damit nur zwei, drei Monate 
          überbrückt werden. Daher schlossen die beiden Außenminister 
          Ribbentrop und Antonescu am 11. Januar 1943 im Führerhauptquartier 
          ein Geheimabkommen über die Lieferung von 30 Tonnen Gold aus den 
          Beutetresoren der Reichsbank an die Rumänische Nationalbank, um 
          so die rumänische Währung "für die im deutschen 
          Interesse erfolgende zusätzliche Notenausgabe" zu stabilisieren. 
          In der Slowakei stabilisierte die Nationalbank die Währung durch 
          den Verkauf von geraubten Edelsteinen. Woher die gekommen sein werden, 
          liegt nahe. 
          Das große Schweigen der Banken und der Finanzminister
          Der Verkauf von Gold, Sachwerten, Immobilien, Wertpapieren und Pretiosen 
          erlaubte eine gewisse währungspolitische Stabilisierung in einem 
          Krieg, der aus deutscher Sicht stets im nächsten halben Jahr gewonnen 
          werden sollte. Der übergroße Teil des Vermögens der 
          enteigneten und ermordeten Juden Europas verschwand eben nicht in den 
          Kellern schweizerischer oder deutscher Banken. Wo aber dann? NS-Deutschland 
          verhängte im Zweiten Weltkrieg eine beispiellose Kriegslasten- 
          und Schuldenunion über Europa. Als fester Posten auf der Habenseite 
          wurden darin die Vermögen der enteigneten Juden Europas verbucht, 
          in Ungarn deckten sie die Besatzungskosten wohl zu 100 Prozent, in anderen 
          Ländern nur zu fünf, zehn oder 20 Prozent - in jedem Fall 
          dämpfte die Arisierung die Spitzenlasten, sie bremste die Inflation. 
          Aus dem Besatzungskostenetat erhielten die deutschen Soldaten ihren 
          Sold in der jeweiligen Landeswährung. Sie durften dieses Geld nicht 
          mit nach Hause nehmen, sondern mussten und wollten es auf den jeweils 
          einheimischen Märkten ausgeben. Sie bezahlten davon Lebensmittel, 
          mit denen sie die Abermillionen Feldpostpäckchen für ihre 
          Familien füllten, Schuhe, Seidenschals und Schmuck, die sie ihren 
          Freundinnen und Frauen schickten; sie bezahlten davon Tabak, Schnaps 
          oder den Besuch im Bordell. Mit anderen Teilen der Besatzungskosten 
          wurden Rechnungen für die tägliche Truppenversorgung beglichen, 
          für Kleidung, Transporte, Quartiere und Lazarettaufenthalte deutscher 
          Soldaten oder die Bunker des Atlantikwalls. Alle diese Leistungen wurden 
          mit Mitteln bezahlt, die einen zeitlich und örtlich unterschiedlichen, 
          durch die Vermischung mit anderen Geldströmen anonymisierten Anteil 
          der zu Geld verflüssigten Vermögenswerte der Juden Europas 
          enthielten.
          Nach dem Krieg verschwiegen die beteiligten Beamten der Nationalbanken 
          und Finanzministerien in sämtlichen europäischen Ländern 
          ihre Kenntnisse über die Metamorphose der enteigneten Werte. Die 
          überlebenden Opfer und ihre Anwälte durchschauten das System 
          nicht. Daher findet sich in den Verfahren, die ausländische Antragsteller 
          vor deutschen Wiedergutmachungsgerichten anstrengten, immer wieder dasselbe 
          abweisende Argument: Nicht etwa die deutsche Besatzungsmacht, sondern 
          die jeweilige nationale Regierung oder Verwaltung der besetzten oder 
          verbündeten Länder habe die Juden enteignet. Das Vermögen 
          sei daher nicht außer Landes, insbesondere nicht nach Deutschland 
          gebracht worden. Folglich erging regelmäßig und in abertausend 
          Fällen ein ablehnender Beschluss, begründet mit der angeblichen 
          Unzuständigkeit deutscher Gerichte. Ebenso verstellte der einseitige 
          Blick auf Banken, Konzerne und individuelle Profiteure den Blick. 
          Tatsächlich verhielt es sich so, wie der Vertreter des Auswärtigen 
          Amtes in Belgrad im Sommer 1942 die staatlich organisierte Form der 
          Geldwäsche beschrieb: "Das Vermögen der Juden in Serbien 
          ist zu Gunsten Serbiens einzuziehen, weil eine Einziehung zu Gunsten 
          des Reiches der Haager Landkriegsordnung wiedersprechen würde. 
          Der Erlös kommt aber mittelbar uns zugute
" Gemeint waren 
          alle Deutschen. Sie profitierten in einer unaufdringlichen, schwer erkennbaren 
          Form vom Mord an den europäischen Juden. Politisch gesehen, minderten 
          die Enteignungsakte die Lasten des Krieges für jeden von ihnen. 
          Das hob die Stimmung in Deutschland und stärkte das Massenvertrauen 
          in die Staatsführung. Das jüdische Eigentum in Europa wurde 
          zugunsten fast aller Deutschen sozialisiert. Am Ende hatte jeder Wehrmachtsoldat 
          einen Bruchteil davon in seinem Geldbeutel, jede deutsche Familie Speisen 
          auf ihrem Teller, Kleidungsstücke im Schrank, die zu einem gewissen 
          Teil davon bezahlt worden waren.
          Der Zeithistoriker Götz Aly veröffentliche jüngst 
          gemeinsam mit Christian Gerlach "Das letzte Kapitel. Der Mord an 
          den ungarischen Juden" (DVA 2002). Sein Beitrag ist die Rede zum 
          Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938, gehalten in der Frankfurter 
          Paulskirche
          aus: Die Zeit, 14.11.2002