Israelkritik und Antisemitismus: Der Bericht einer EU-Behörde bleibt in der Schublade
von Christian Höller

Für viele Vertreter jüdischer Organisationen ist das neue Antisemitismus-Papier der Europäischen Union (EU) ein Meilenstein. Erstmals werden bestimmte Formen der Kritik an Israel als judenfeindlich eingestuft. Damit könnten viele antisemitische Äußerungen, die sich im Gewand der "legitimen" Kritik am jüdischen Staat präsentieren, von offizieller Stelle verurteilt werden.

In einem inoffiziellen Arbeitspapier der in Wien ansässigen Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus (EUMC) heißt es, daß jeder, der dem jüdischen Volk sein Recht auf Selbstbestimmung abspricht, als Antisemit einzustufen ist. Gleiches gilt für "die Anwendung von doppelten Standards, die von Israel ein Verhalten verlangen, das von keiner anderen demokratischen Nation verlangt oder erwartet wird". Ein Vergleich der Politik Israels mit dem Vorgehen der Nazis sei ebenso antisemitisch wie die Ansicht, alle Juden seien für Israels Politik verantwortlich. Auch die Betrachtung Israels als "rassistisches Unternehmen" müsse als judenfeindlich gelten. "Allerdings kann Kritik an Israel, wenn sie vergleichbar ist mit Kritik an anderen Ländern, nicht als antisemitisch betrachtet werden", heißt es in dem Dokument. So weit, so klar? Nicht ganz. Denn die EUMC will das Papier nicht veröffentlichen. Ein Sprecher der EU-Behörde sagte auf Anfrage, daß man seit längerem mit dem American Jewish Committee (AJC) und anderen Organisationen an einer Definition von Antisemitismus arbeite. "Wir haben derzeit noch keine endgültige Definition", betonte der EUMC-Sprecher. Es gebe dazu ein Arbeitspapier. Ob es sich dabei um das im Internet abrufbare handelt, wollte er nicht sagen. Vertreter des AJC haben die Echtheit des Dokuments bestätigt. Nach Angaben des EUMC soll das Antisemitismus- Papier im Herbst verabschiedet und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Bis dahin werden Änderungsvorschläge eingearbeitet. Vertreter jüdischer Organisationen haben aber bereits klargestellt, daß sie ein inhaltlich abgeschwächtes Papier nicht akzeptieren werden. (...)

Jüdische Allgemeine, 26.5.2005

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