Zügige Erosion moralischer Standards
Historiker halten der Dresdner Bank "offene Mittäterschaft"
mit dem NS-Regime vor
von Matthias Arning
"Hinter dem ersten Tank, kommt Dr. Rasche von der
Dresdner Bank." Was der Volksmund flapsig dichtete, entbehrt durchaus
nicht einer gewissen analytischen Qualität. Wie nur wenige deutsche
Unternehmen und wie wohl kein anderes Geldinstitut machte die Dresdner
Bank mit dem nationalsozialistischen Regime gemeinsame Sache. Karl Rasche,
Vorstandssprecher der Bank in dieser Zeit, musste sich nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs in Nürnberg verantworten - und wurde zu sieben
Jahren Haft verurteilt.
Was der Volksmund dichtete, nährte immer wieder auch
den Eindruck, dass da mehr sein musste, als die Bank nach 1945 einzugestehen
bereit war. Bereits ein Jahr nach dem Krieg hielt der Omgus-Bericht, angefordert
von der US-Militärregierung, der Dresdner Bank vor, "integraler
Bestandteil der Kriegsmaschinerie" gewesen zu sein. Spätere
Studien wie die von Johannes Bähr machten es möglich, die Goldgeschäfte
des Geldinstituts zu rekonstruieren.
Doch den zeithistorischen Zusammenhang zwischen NS-Regime
und Dresdner Bank entfaltet jetzt erst die vierbändige Studie von
Bähr, Klaus-Dietmar Henke, Harald Wixforth und Dieter Ziegler auf
2376 Seiten: "Die Dresdner Bank im Dritten Reich." Das Geldinstitut,
so ziehen die 1997 "unter dem Druck der Öffentlichkeit"
vom Vorstand der Bank mit dieser Untersuchung beauftragten Historiker
Bilanz, "hätte sich im Dritten Reich durchaus anders verhalten
können, als sie es tatsächlich getan hat." Die Bank hätte
sich nicht "zu einem Unternehmen mit einer ausgeprägten, bald
in offene Mittäterschaft mündende Nähe zum neuen Regime
zu entwickeln brauchen".
Ähnlich wie die Deutsche Bank beteiligte sich die
Dresdner am Bau von Krematorien und Baracken in Auschwitz - über
die Huta, ein Hoch- und Tiefbauunternehmen, dessen Großaktionär
die Dresdner Bank gewesen ist. Bis zum Schluss, so die Studie, habe es
"stabile Geschäftsbeziehungen mit der Sklavenhalterwirtschaft
der SS" gegeben.
Die Autoren räumen mit Geschichtsklitterungen auf
und betonen, dass von politischem Druck, unter dem sich die Bank etwa
auf die Arisierungspolitik des Regimes eingelassen habe, keine Rede sein
könne. Vielmehr habe es in diesem Zusammenhang an eigener Initiative
nicht gemangelt. In den Bereich der Verklärung verweisen sie Rasches
Bemühen, sich unmittelbar nach Kriegsende als Mann des Widerstands
darzustellen.
Grundsätzlich lasse sich in der deutschen Wirtschaft
überall "die rasche Erosion professioneller Normen und moralischer
Standards" während der NS-Zeit feststellen. Bei der nach Expansion
strebenden Dresdner Bank allerdings, setzen die Historiker als Fazit ihrer
Untersuchung hinzu, "führte diese Enthemmung jedoch besonders
weit".
Frankfurter Rundschau, 17.2.2006
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