Nachhilfe aus Jerusalem
Jad-Vaschem-Direktor reagiert
von Inge Günther
Die Aufregung um bischöfliche Äußerungen
angesichts des Sperrwalls in der Westbank erreichte Israel verspätet
- die deutschen Oberhirten waren da längst aus dem Heiligen Land
abgereist. Ganz korrekt wurden die beanstandeten Bischofssätze auch
nicht mehr wiedergegeben, als sie aus den deutschen Medien in die israelischen
gelangten. Doch egal, ob sich der Eichstätter Bischof Gregor Maria
Hanke vor der Mauer um Bethlehem oder in Ramallah zu dem heiklen Vergleich
mit dem Warschauer Ghetto offenbar hinreißen ließ: Die Äußerung
war in der Welt.
Solche Bemerkungen, schrieb Avner Schalev, Direktor in
Jad Vaschem, in seinem Protestbrief an Kardinal Karl Lehmann, zeugten
von einer "jämmerlichen Ignoranz der Geschichte und verzerrter
Perspektive". Was immer den Palästinensern im Westjordanland
widerfahre: "Israels Aktionen ähneln keineswegs denen der Nazis",
hielt Schalev fest. Kritik an israelischer Politik sei legitim. Aber Analogien
zwischen dem Massenmord, der die Vernichtung des jüdischen Volkes
zum Ziel hatte, und der aktuellen Lage in Ramallah trügen nichts
zum Verständnis der Lage bei. Im Gegenteil: "Sie vergiften nur
die Atmosphäre und machen es noch viel schwerer, funktionierende
Lösungen für tief liegende und verzwickte Probleme zu finden."
Besonders düpiert hat die Mitarbeiter der Holocaust-Gedenkstätte,
dass Stunden bevor Hanke sich zu seinen unbedachten Worten hinreißen
ließ, die gesamte Bischofsdelegation durch Jad Vaschem gepilgert
war. Ein aufrüttelnder Besuch, der geradezu unausweichlich die Erinnerung
an die Shoa ins Bewusstsein holt. "Für uns alle war dies ein
bewegender wie erschütternder Moment", hatte Kardinal Lehmann
zum Abschluss der Pilgerreise betont und wiederholt, was er ins Gedenkbuch
von Jad Vaschem schrieb: "Niemand kann frei sein, der frei sein will
vom Gedenken an die Shoa."
Als "wichtige Worte" des Vorsitzenden der Deutschen
Bischofskonferenz registrierte man dies in Israel. Umso weniger Verständnis
habe man dafür, meint eine Sprecherin von Jad Vaschem, wenn einen
Tag später aus dem Mund eines Delegationsmitglieds eine solch "problematische
Bemerkung" kommt. Chef Avner Schalev appellierte denn auch dringend
an alle Beteiligten, das Thema Holocaust aus "billiger politischer
Ausbeute und Demagogie" herauszuhalten. Kardinal Lehmann möge
daher seine Bischöfe über den Inhalt des Schreibens unterrichten.
Quasi als Nachhilfe aus Jerusalem.
Frankfurter Rundschau, 8.3.2007
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